Schattenblume
überlege.»
Molly hielt den Kopf gesenkt, als sie mit Maria nach
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vorn ging. Lena sah, dass sie am ganzen Körper vor Angst zitterte. Anscheinend war ihr klar geworden, dass ihr Rü‐
cken so lange eine Zielscheibe darstellte, bis sie sicher auf der anderen Straßenseite wäre.
Smith schlenderte träge hinter den beiden her. Er flüs‐
terte etwas, als er an Lena vorbeikam, doch sie war froh, dass sie ihn nicht verstanden hatte. Mit undurchdring-licher Miene fragte sie sich, wie sie das Messer aus der Hosentasche bekäme, um es Smith ins Herz zu rammen.
«Psst», machte Brad. Sie hob das Kinn. «Was hat sie ge‐
meint?»
Lena versuchte, so leise wie möglich zu sprechen. «Die
Zeit.»
Brad dachte einen Moment nach. «Fünfzehn Uhr zwei‐
unddreißig?», flüsterte er, und sie nickte. «Auf dein Signal.»
«Los», bellte Smith seinen Partner an, woraufhin Son‐
ny sich auf den Tresen lehnte und die Schrotflinte in Position brachte. «Jetzt!»
Als Lena begriff, was sie vorhatten, stürzte sie sich
los und schrie: «Nein!» Im selben Moment löste sich der
Schuss.
Sie war ein paar Meter weg gewesen, und Smith hatte
reichlich Zeit, ihren Angriff abzuwehren. Er sah genervt
aus, und wie vorher stieß er sie weg wie eine lästige Fliege.
Lena stand schnell wieder auf, doch diesmal nicht, um ihn anzugreifen. Durchs Fenster sah sie, wie sich Molly über
Maria beugte. Sonny hatte der alten Frau in den Rücken
geschossen. Die Männer vom Sondereinsatzkommando
schwärmten aus, sie gaben den beiden Frauen Feuerschutz
und zerrten sie in die Reinigung.
«Maria.» Lena starrte aus dem Fenster. «Sie haben
Maria erschossen.» Dann stürzte sie sich mit erhobenen
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Fäusten auf Smith. «Du verdammtes Schwein!», schrie sie
und schlug auf ihn ein. Doch er war genau wie Ethan – ein
einziges Paket aus Muskeln.
«He», rief Smith und trat einen Schritt zurück. Mit
Leichtigkeit hielt er ihre Hände fest und lachte über ihren Zorn. «Nicht so stürmisch.» Er packte sie am Hintern und zog Lena an sich. «Na, gefällt dir das, Lady? Gefällt dir mein großer dicker Schwanz?»
Lena biss die Zähne zusammen. «Sie haben sie umge‐
bracht», zischte sie und krallte die Fingernägel in seinen Arm. «Sie haben die alte Frau umgebracht.»
Er kam mit dem Mund dicht an ihr Ohr. «Vielleicht
bring ich dich auch um, Schätzchen. Aber keine Sorge, davor haben wir noch ein bisschen Spaß.»
Sie zuckte zurück und riss dabei den Verband los, den er sich um den Bizeps geschlungen hatte. Sie warf das blutige
Stück Stoff auf den Boden, dann wischte sie sich die Hände
angeekelt an der Hose ab. «Du Schwein», sagte sie. «Du
verdammter Mörder.»
Er hielt sich den Arm, und sie sah Blut zwischen seinen Fingern durchsickern. «Das ist nicht gut», sagte er.
Sonny legte die Flinte hin und zog ein Stofftaschentuch
aus der Hosentasche. «Hier», sagte er und gab Smith das
Taschentuch.
«Verbind mir den Arm», befahl Smith und hielt es Lena
hin.
«Leck mich am Arsch», sagte Lena und kassierte eine
Ohrfeige dafür, die sie zu Boden warf.
«Mach schon», er gab ihr das Taschentuch.
Lena stand auf und nahm das Stück Stoff. Sein Arm
blutete stark, obwohl die Wunde nicht tief war, soweit sie sehen konnte. Trotzdem legte sie ihm einen Druckverband
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an, den sie fest anzog. Sie wünschte, sie würde ihm damit die Gurgel zuschnüren.
«Was guckst du so?», fragte Smith Sara. Er schob Lena
weg und durchquerte den Raum. Sonny hatte das Gewehr
wieder im Anschlag und sah Lena warnend an, bevor er
sich der Tür zuwandte.
Smith wiederholte: «Was ist?»
«Nichts», erklärte Sara, die wieder bei Jeffrey kniete.
Sie legte ihm die Hand auf die Stirn, und Lena sah, dass er
sich bewegte, doch er war nicht mehr bei Bewusstsein. «Er
muss ins Krankenhaus.»
«Wir machen das hier», sagte Smith und schob mit dem
Fuß den Verbandskasten zu ihr rüber. Zu Lena sagte er:
«Du nimmst den anderen Kram.»
Lena griff nach dem Defibrillator und dem Infusions‐
Kit und warf einen Blick über die Schulter. Brad arbeitete sich in Sonnys Richtung vor, aber er war noch nicht nahe genug dran.
«Ich bin kein Gefäßchirurg», sagte Sara.
«Das schaffst du schon», sagte Smith und nahm Lena
die Tasche ab.
Sara ließ nicht locker. «Die Achselschlagader ist getrof‐
fen. Ich kann überhaupt nichts sehen.»
«Mir egal», sagte er und kniete sich neben Jeffrey.
«Ich kann unter diesen Umständen keinen
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