Schattenblume
wie Kacheln aussehen sollte, und
der winzige Raum war von oben bis unten verschmiert.
Hier hätte man nur noch mit dem Flammenwerfer sauber
machen können.
Die alte Frau rief: «Was gefunden?»
«Noch nicht», sagte Jeffrey und versuchte, durch den
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Mund zu atmen. Er öffnete die nächste Schiebetür. We‐
nigstens konnte der Gestank nicht schlimmer werden,
dachte er. Doch er hatte sich geirrt. In Luke Swans Zimmer
stank es wie in einem Schweinestall. Die Decke war zu‐
rückgeschlagen, und in der Mitte des Betts prangte ein
verkrusteter Fleck. Über dem Bett baumelte eine nackte
Glühbirne an einem Kabel. Jeffrey konnte nicht glauben,
dass sich Jessie für einen Mann interessiert hatte, der so lebte. Sie war viel zu anspruchsvoll. Er gab es nicht gerne zu, aber Jessie hatte wahrlich mehr Klasse als das hier.
Zwei Plastikkisten am Ende des Bettes schienen seine
Klamotten zu enthalten. Die Kisten waren durchsichtig,
und Jeffrey war dankbar, dass er nichts anfassen musste,
um hineinzusehen. Spinnweben und Staub vieler Jahre
sammelte sich unter dem Bett, doch bis auf eine schmut‐
zige weiße Socke war sonst nicht zu sehen.
Im Wandschrank war ein Spind untergebracht, wie man
ihn aus Turnhallen kennt. Fleckige Unterhosen und So‐
cken lagen im oberen Fach, T‐Shirts und Jeans darunter.
Jeffrey versuchte hineinzuspähen, ohne etwas anzufassen.
Ein Blick genügte, und es juckte ihn am ganzen Körper.
Doch dann riss er sich zusammen und griff in den Haufen Kleider hinein. Bis auf eine Badehose mit einem Riss im
Schritt fand er nichts.
Jeffrey drehte sich um und sah sich noch einmal im
Zimmer um. Um nichts in der Welt würde er die Matratze
anfassen, selbst wenn ein Brief mit einem ausführlichen
Geständnis darunter gelegen hätte. Außerdem hatte Reg‐
gie das wahrscheinlich erledigt. Falls er irgendetwas Belas-tendes gefunden hätte, hätte er es Robert längst unter die
Nase gerieben.
Mit dem Fuß schob Jeffrey Swans Kleider zurück in den
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Wandschrank. Doch dann kam ihm eine Idee, und er riss
die Kleider noch einmal heraus. Er packte den Spind an
beiden Seiten und wuchtete ihn aus dem Einbauschrank
heraus.
Metall kreischte auf Metall, der Wohnwagen wackelte
und die alte Frau rief: «Alles in Ordnung bei Ihnen?»
«Ja, Ma'am», antwortete Jeffrey, doch als sein Blick hin‐
ter den Spind fiel, war plötzlich nichts mehr in Ordnung.
«Was ...», begann er, doch er brachte die Frage nicht
über die Lippen. Er sackte auf das schmutzige Bett, wäh‐
rend er sich das Gehirn zermarterte nach irgendeiner Er‐
klärung oder Geschichte – irgendwas, das Robert entlas‐
tete, statt mit dem Finger direkt auf ihn zu zeigen. Doch Jeffrey kam immer wieder zu dem gleichen Schluss, und
jetzt wollte er einen Drink, mehrere Drinks, so dringend, dass er bereits zu spüren glaubte, wie der Alkohol in seiner
Kehle brannte.
«Nein», sagte er, als könnte er damit alles rückgängig
machen. «Nein», wiederholte er, doch er musste die Frage
stellen: «Robert, was hast du nur getan?»
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KAPITEL EINUNDZWANZIG
15.09 Uhr
Jared?», fragte Smith und knallte den Hörer auf die Ga‐
bei. «Wer ist Jared?»
Sara sah sich panisch um, und Lena versuchte ihn ab‐
zulenken. «Sie haben gesagt, Sie würden Maria gehen
lassen.»
«Halt den Mund», bellte Smith und ging auf Sara zu.
«Wer ist Jared?», wiederholte er. «Wer ist das?»
Sara schwieg.
Smith drückte ihr die Mündung der Schrotflinte ans
Ohr. «Ich frage ein letztes Mal», sagte er. Sein Akzent
wurde stärker, und seine Stimme war jetzt ein paar Okta‐
ven tiefer. «Wer ist Jared?»
Jeffrey meldete sich mit schmerzverzerrter Stimme:
«Jeffreys Sohn», sagte er, doch selbst Lena hörte ihm die Unsicherheit an. Es war keine Aussage, er stellte Sara eine Frage.
«Er wusste nichts davon», sagte Sara zu Smith und
drückte Jeffreys gesunde Schulter. «Jared hatte einen Va‐
ter, mit dem er aufwuchs.»
Smith riss die Flinte zurück und legte sich den Lauf auf die Schulter. «Arschloch», spuckte er aus, dann drehte
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er sich zu seinem Komplizen um. «Hast du das gehört,
Sonny? Er hat noch 'n Kind.»
Lena sah, wie Saras Gesicht krampfartig zuckte. Sie
weiß es, dachte Lena. Sie weiß, wer die beiden sind.
Sonny war wütend, dass er verraten worden war, und
zischte: «Vielen Dank, Eric.»
Smith lief zu seinem Partner, und die beiden flüster‐
ten aufgebracht miteinander. Lena versuchte
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