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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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jeman‐

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    den, der mich tröstete, bei dem ich mich normal fühlte.» Er
    sah Sara wieder in die Augen, als erwartete er jeden Moment, dass sie ihn beschimpfte. «Ich habe ihn angerufen,
    ihn gebeten vorbeizukommen. Ich habe gesagt, ich will,
    dass er mich vögelt. Wie gefällt dir das? Du weißt, was wir
    getan haben, oder? Uns in den Arsch gevögelt, wie zwei
    verdammte Tunten.»
    Sara blieb ruhig.
    «Ich habe ihn gehasst», sagte er, und sie hörte sei‐
    ner Stimme an, dass er es ernst meinte. «Es war, als würde
    ich mich selbst im Spiegel sehen. Die hässliche Wahr‐
    heit.» Dann flüsterte er in sich hinein: «Verfluchte Tunte.
    Schwuchtel.»
    «Und deshalb hast du ihn umgebracht?»
    Draußen parkte ein Wagen, und sie warteten ab, wäh‐
    rend die Autotür zuschlug. Sekunden später hörten sie,
    wie Nells Nachbar nach Hause kam. Falls er merkte, dass
    seine Hunde fort waren, schien es ihn nicht zu kümmern.
    Sara fragte: «Robert?»
    Wieder schwieg Robert, bevor er antwortete. «Jessie hat
    uns erwischt», sagte er schließlich. «Sie hatte uns gehört.
    Unser Stöhnen.» Er blickte wieder auf, als wollte er Saras Reaktion sehen. «Sie hat meine Pistole mitgenommen,
    weil sie dachte, es wäre vielleicht ein Einbrecher. Hat nicht
    mal die Polizei gerufen.» Plötzlich wechselte er das The‐
    ma. «Deswegen hat sie sich auch mit Faith in die Haare ge‐
    kriegt. Deswegen war sie so früh zu Hause.»
    Sara schwieg. Sie verstand nicht.
    «Der Streit mit ihrer Mutter. Sie haben sich gestritten,
    weil Jessie mal wieder vollkommen high war. Besoffen, auf
    Pillen, egal. Ihre Mutter hat mir die Schuld dafür gegeben, obwohl sich Faith selber jeden Tag die Kante gibt. Draußen

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    im Garten, wenn sie die Blumen gießt, holt sie den Flach-mann raus. Und genauso macht es Jessie, wenn sie das Le‐
    ben mit mir nicht mehr aushält. So kommt sie mit meinem
    Versagen zurecht. Sie nimmt Pillen, um den Schmerz zu
    betäuben.»
    Sara hörte, wie der Nachbar die Tür wieder zuschlug.
    Sie wartete, hoffte, er käme vorbei, um nach den Hunden
    zu fragen, aber dann hörte sie, wie er den Motor anließ und den Rückwärtsgang einlegte.
    «Jessie wollte mich erschießen», erklärte Robert und
    blickte zum Fenster hinaus, wahrscheinlich sah er dem
    Nachbarn hinterher. «Sie war völlig geschockt, und da hat sie den Abzug gedrückt. Sie hat die Sache nicht durchdacht,
    aber eigentlich wollte sie mich erschießen, nicht ihn. Das hat sie mir zumindest gesagt. Sie sagte, sie wäre so betrunken gewesen, dass sie im ersten Moment dachte, sie würde
    doppelt sehen. Dachte, ich hätte es endlich geschafft, mich
    selbst zu ficken.» Er leckte sich die Zahne. «Ich habe nicht mal mitgekriegt, dass sie da war. Plötzlich hat Luke gerufen: ‹Hey, was ist? Willst du mitmachen?› Ich wusste
    nicht, was er da redet. Erst dann habe ich kapiert, dass er mit Jessie gesprochen hat. Er hat sie provoziert, obwohl sie
    eine Knarre in der Hand hielt. So war er immer. Er hat die Leute immer gereizt, bis sie explodiert sind.»
    «Sie hat ihn erschossen.»
    «Ich hatte mein T‐Shirt an, aber ...» Seine Stimme ver‐
    lor sich und er schluckte, bevor er weitersprach. «Ich habe
    was auf meinem Rücken gespürt, es hat sich plötzlich
    feucht angefühlt. Den Schuss habe ich erst danach gehört,
    zwei oder drei Sekunden später. Es muss natürlich viel
    schneller gegangen sein, aber mein Gehirn hat es lang‐
    samer verarbeitet. Kennst du das?»

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    Sara nickte. Sie wusste aus Erfahrung, dass traumatische
    Erlebnisse verzögert wahrgenommen wurden, als wollte
    der Organismus den Schmerz voll auskosten.
    «Es gab einen Knall, wie wenn ein Luftballon platzt.» Er holte tief Luft. «Und dann ist er auf meinem Rücken zu-sammengesackt, alles war nass ...» Er schüttelte den Kopf.
    «Er ist an mir abgerutscht.»
    Sara erinnerte sich, wie Robert in jener Nacht mit
    dem Rücken zur Wand gestanden hatte, die Finger in das
    T‐Shirt gekrallt. Er musste voller Blut gewesen sein.
    «Danach ging alles so schnell.»
    «Was ist dann passiert?»
    «Jessie hat auf mich geschossen.»
    «Sie hat daneben geschossen», sagte Sara und dachte an
    das Einschussloch in der Wand.
    «Ich habe meine andere Pistole aus dem Schrank geholt.
    Der Safe war nicht mal abgeschlossen. Nachdem wir das
    Baby verloren haben ...» Er schüttelte den Kopf, offen‐
    sichtlich wollte er nicht darüber sprechen. «Ich habe überhaupt nicht nachgedacht. Mein einziger Gedanke war,

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