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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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so viel, das Sara ihm nicht gesagt hatte.
    Sie hätte alles gegeben, um jetzt bei ihm zu sein, seine Arme um sich zu spüren.
    «Du bist kein Mörder», sagte sie mit erstickter Stimme.
    «Es tut mir so Leid», gab Robert zurück. Er stand so nah bei ihr, dass sie seinen Schweiß roch. Sara spürte das kalte
    Metall der Waffe an ihrer Stirn, und jetzt begann sie richtig zu weinen. Sie riss die Augen auf. Dann entsicherte er die Waffe und stammelte noch eine Entschuldigung.
    «Bitte», wimmerte sie. «Bitte, tu das nicht. Bitte.»
    Schließlich griff sie zu einem allerletzten Strohhalm. «Ich bin schwanger.»
    Die Pistole verharrte ein paar lange Sekunden an ihrer
    Stirn, dann ließ Robert sie sinken und fluchte.
    Sara schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, hatte Robert ihr den Rücken zugekehrt. Seine Schultern bebten,
    und sie dachte, er weinte, doch dann drehte er sich um. Sie
    erschrak, als sie sah, dass er lachte.
    «Schwanger?», wiederholte er, als hätte sie gerade den
    besten Witz des Jahres gerissen.

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    «Robert‐»
    «Verdammt. Ihm fällt wohl alles in den Schoß.»
    Im gleichen Moment ging Sara auf, dass sie einen Fehler
    gemacht hatte. «Ich habe nicht –»
    «Herrgott», zischte er und hielt ihr wieder die Pistole an den Kopf. Diesmal zitterte seine Hand, er stockte und
    fluchte. «Scheiße.»
    «Jeffrey weiß nichts davon», sagte sie und suchte ver‐
    zweifelt nach den richtigen Worten. «Er weiß es nicht!»
    Robert hielt die Pistole ruhig. «Er wird es nie erfahren.»
    «Das wird er doch!», schrie Sara. «Bei der Obduktion!»
    Robert biss die Zähne zusammen, und sie versuchte, so
    schnell wie möglich zu reden. «Willst du, dass er es so rausfindet? Willst du, dass er es rausfindet, wenn ich tot bin? Und er wird es rausfinden, Robert. Genau so.»
    «Hör auf», befahl er und drückte ihr die Pistolenmün‐
    dung ins Fleisch. «Halt endlich den Mund!»
    «Es ist ein Junge! », schrie sie, fast hysterisch vor Angst.
    «Es ist ein Junge, Robert. Sein Sohn. Jeffreys Sohn.»
    Wieder ließ er die Pistole sinken, doch diesmal lachte er nicht.
    «Du weißt, wie es sich anfühlt, ein Kind zu verlieren»,
    fuhr sie fort. Sie zitterte so stark, dass der Schaukelstuhl zu wippen anfing. «Du weißt, wie es ist.»
    Er ging nicht darauf ein, sondern nickte langsam, als
    führte er ein Selbstgespräch. Sara sah, wie er die Lippen bewegte, doch es kamen keine Worte heraus. Er sicherte
    die Pistole, steckte die Waffe in die Hose und hob die Rolle
    Klebeband wieder auf.
    Sara sah zu, wie er an dem Band zerrte. Sie wusste,
    er würde ihr den Mund zukleben und sie dann erschie‐
    ßen.

    421
    «Er liebt mich.» Sara umklammerte die Armlehnen und
    versuchte sich loszureißen.
    Robert riss einen Streifen ab.
    «Das willst du ihm nehmen», rief sie. «Das und das Kind willst du ihm nehmen, Robert. Sein ungeborenes Kind.»
    Saras Stimme versagte. Sie wusste, diese Worte würde sie
    niemals in ihrem Leben wirklich sagen können. «Unser
    Kind.» Es fühlte sich wunderschön an. «Unser Baby.»
    Offensichtlich ging Robert die Leidenschaft in ihrer
    Stimme unter die Haut, denn er brach mitten in der Bewe‐
    gung ab.
    «Ich trage sein Kind unter dem Herzen», wiederholte
    Sara und spürte, wie sich alle Spannung in ihr löste. Sie war im Frieden mit sich und allem, was passieren wurde.
    Es war mit Vernunft nicht zu erklären, und doch war sie plötzlich vollkommen ruhig. «Unser Baby.»
    «Er wird dir wehtun», sagte Robert. «Jedem, der ihn
    liebt, tut er am Ende weh.»
    «Wenn man jemanden liebt», erklärte Sara, «muss man
    das Risiko eingehen.»
    Er legte den Finger auf ihre Unterlippe und strich
    über die Wunde. Bevor sie wusste, was geschah, hatte
    sich Robert vorgebeugt und berührte ihren Mund mit
    seinen Lippen. Es war der zärtlichste Kuss, den Sara je
    bekommen hatte, und sie war zu bestürzt, um sich abzu‐
    wenden.
    Er sagte: «Es tut mir Leid», dann klebte er ihr den Mund zu, bevor sie noch etwas sagen konnte. Mit verschränkten
    Armen stand er vor ihr. «Es tut mir Leid, dass ich dir wehgetan habe», sagte er. «Ich habe in meinem Leben schon
    genug Menschen wehgetan.» Er machte ein trotziges Ge‐
    sicht, als rechnete er mit ihrem Einspruch. «Jeffrey wird 422
    denken, ich wäre in ihn verliebt gewesen», sagte er. «Sag ihm, dass das nicht stimmt, ja? Ich habe nie solche Gefühle
    für ihn gehabt – nie. »
    Sara nickte, das war alles, was sie tun konnte.
    «Sag ihm, dass er ein

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