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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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auf der Auffahrt
    stehe, nimmt sie ihn lieber, bevor sie ihn umparken
    muss.»
    Sara bewegte das Handgelenk, um zu sehen, ob ihr die
    Fessel irgendeinen Spielraum ließ. «Du warst es gar nicht, der an dem Abend einkaufen war, Robert. Es war Jessie.
    Jessie ist mit deinem Truck gefahren.»
    Er zog noch ein langes Stück Band von der Rolle. Er sah sie nicht an, doch sie spürte es – er wollte, dass sie weiterredete.
    «An dem Abend, als Luke erschossen wurde», sagte sie.
    Sie fürchtete sich selbst vor der Antwort. «Am Sonntag.
    Hat Jessie da deinen Truck benutzt?»
    Der Streifen war zu lang, und das Band verklebte sich.
    Er versuchte, es auseinander zu zupfen. «Ich weiß nicht,
    wovon du redest.»
    «Jessie ist mit deinem Truck gefahren», erklärte Sara,
    von Minute zu Minute gewann sie an Selbstsicherheit.
    «Sie ist an dem Abend zum Supermarkt gefahren. In eu-409
    rem Kühlschrank war nur Milch und Saft. Ich habe die
    Einkaufsliste in deinem Truck gesehen.»
    Er zupfte immer noch an dem Klebeband herum.
    «Wenn Jessie einkaufen war, dann war es Jessie, die nach
    Hause kam. Du hast die Wahrheit gesagt, Robert, nur ein
    paar Fakten hast du vertauscht. Es war Jessie, die nach
    Hause kam, und du warst es –» Verblüfft hielt sie inne.
    «Du warst im Schlafzimmer», sagte sie dann. «Du warst
    mit Luke Swan zusammen, nicht Jessie.»
    Robert lachte gekünstelt, er knüllte den Klebestreifen
    zusammen.
    Sara fuhr fort, sie war sich jetzt ganz sicher. «Du warst auf dem Boden, du hast vor dem Bett gekniet.»
    «Vielleicht reicht eins», sagte Robert und hob das Kle‐
    beband auf.
    «War Luke hinter dir, als er erschossen wurde?»
    Er riss einen zehn Zentimeter langen Streifen ab. «Ich
    muss dir den Mund zukleben.»
    Sie kämpfte gegen die Angst. Sie musste jetzt einfach
    die Wahrheit wissen. «Sag mir, was passiert ist, Robert. Du
    hast ihn nicht umgebracht. Ich weiß, dass du ihn nicht um‐
    gebracht hast. War es Jessie? Hat sie euch erwischt? Ro‐
    bert, du musst es jemandem sagen. Du kannst nicht ein‐
    fach so gehen.»
    Er machte sich daran, ihr den Mund zuzukleben, doch
    im letzten Moment hielt er inne. Sara starrte ihn an, als er noch einmal ansetzte, doch aus irgendeinem Grund
    brachte Robert es nicht übers Herz, sie zu knebeln.
    Er ging ein paar Schritte zurück und setzte sich wie benommen aufs Bett. Das Klebeband hielt er noch in den Hän‐
    den, vorsichtig, als hätte er Angst, es würde explodieren.
    Sara zwang sich, sanft zu sprechen, sie wusste nicht, wie

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    weit sie ihn drängen durfte. «Du warst an dem Abend mit Luke zusammen, nicht wahr?»
    Robert starrte nur auf seine Hände, doch sein Schwei‐
    gen war Antwort genug.
    «Hat Jessie es vorher gewusst?» Sie wartete, dann fragte
    sie: «Robert?»
    Langsam schüttelte er den Kopf. «Ich wollte so sehr,
    dass es mit uns klappt», sagte er schließlich. «Sie war die einzige Frau auf der Welt, mit der ich mir eine Ehe hätte vorstellen können.» Er sah aus dem Fenster in den Garten.
    Sara fragte sich, ob er an die Barbecues und die Picknicks dachte, an die Ballspiele, die er nie mit seinem Sohn spielen würde. «Sie wollte eine Weile weg sein», fuhr Robert fort. «Sie hat gesagt, sie fährt bei ihrer Mutter vorbei und dann zum Supermarkt, wie jeden Sonntagabend.»
    «Was ist passiert?»
    «Sie hat sich mit ihrer Mutter gestritten.» Er seufzte
    resigniert. «Sie ist früher heimgekommen und hat die Le‐
    bensmittel eingeräumt. Ich bin ein toller Cop, was? Ich hab
    nicht mal gehört, dass sie in der Küche war.»
    «Sie hat euch erwischt?»
    «Sie dachte, ich wäre noch bei Possum, um mir das Spiel anzusehen.»
    «Hat sie euch erwischt?», wiederholte Sara.
    «Ich habe es verheimlicht», sagte er, ohne auf ihre Frage zu antworten. «Ich habe es all die Jahre verheimlicht.» Er rieb sich die Augen. «Ich habe eine Abmachung mit Gott
    getroffen. Ich habe Ihm versprochen, ich würde aufhören,
    und er sollte Jessie dafür ein Baby schenken.» Er ließ die Hände sinken. «Das war das Einzige, was uns gefehlt hat, um eine Familie zu sein, verstehst du? Ich wäre ein guter Vater gewesen.»

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    Offenbar wollte er eine Bestätigung von ihr hören, denn
    er wandte sich ab, als Sara schwieg. «Doch Gott hatte andere Pläne. Vielleicht wusste er, dass ich mein Versprechen
    nicht halten würde.»
    «Gott lässt nicht mit sich verhandeln.»
    «Nein», sagte er. «Nicht mit Männern wie mir.»
    «Schwul sein bedeutet nicht, dass du ein

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