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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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dass
    ich wünschte, sie hätte mich getroffen.» Robert schwieg.
    «Sie hat es nicht noch einmal versucht, als könnte sie mich
    nicht erschießen, obwohl sie sah, was mit mir los ist. Ich stand eine Sekunde lang einfach nur da, und plötzlich
    hatte ich alles vor Augen – wie die Leute rausfinden, was passiert ist, rausfinden, was mit mir los ist, und da habe ich
    mir die Mündung auf den Bauch gehalten und abge‐
    drückt.»
    «Du hattest Glück, dass nicht mehr passiert ist.»
    «Es ging so schnell», sagte er noch einmal. «Ich hatte
    keine Zeit nachzudenken. Es war wie ...» Er schnippte mit den Fingern.

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    Sara schwieg, das Schnippen hallte in ihren Ohren wie
    ein Schuss.
    «Es hat gar nicht wehgetan», sagte er dann. «Ich hatte
    erwartet, dass es wehtut, aber den Schmerz habe ich erst viel später gespürt.»
    «War es Jessies Idee zu behaupten, dass du es getan hät‐
    test?»
    «Nein», knurrte er, doch sie war sich nicht sicher, ob er die Wahrheit sagte. «Sie ist zum Nachttisch gegangen und
    hat eine Hand voll Pillen geschluckt. Die meisten sind auf dem Boden gelandet. Ich habe mich nur umgesehen und
    gedacht: ‹Scheiße, was kann ich tun?›»
    «Und was hast du getan?»
    «Als ich den Abzug drückte, muss ich wohl gewusst ha‐
    ben, was ich vorhatte, aber mein Hirn hat erst später wieder eingesetzt. Ich habe die Pistole aufgehoben und die
    Hülsen und habe sie abgewischt. Ein paar Sekunden später
    hörte ich, wie jemand die Hintertür eintrat. Ich habe alles auf den Boden geworfen und die Pistole neben seine Hand
    gelegt. Jeffrey kam rein und schrie: ‹Was ist passiert?›
    Dann ist er wieder raus, dich holen, und ich habe zu Jessie
    gesagt, sie soll das Fenster aufmachen und das Fliegengitter eindrücken. Zum ersten Mal in ihrem Leben hat sie getan, was ich wollte, ohne zu fragen.»
    «Was war mit der Kugel?», fragte Sara. Robert hatte
    Reggie eine Kugel gegeben, als er gestanden hatte.
    «Jessie hat sie später aufgehoben. Ich weiß nicht wann,
    aber sie hat sie mir gegeben. Sie hat mir genau beschrieben, wo im Kopf sie gesteckt hatte. Hat gesagt, die Kugel wäre meine Trophäe. »
    Sara überlegte, dass Jessie nur zu einem Zeitpunkt
    allein mit der Leiche gewesen sein konnte, und zwar wäh‐

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    rend Sara mit Jeffrey auf der Veranda auf Hoss wartete.
    Sie musste sich reingeschlichen haben, als Sara und Jeffrey
    sich gestritten hatten.
    «Jessie ist schlauer, als man denkt», sagte Robert. «Als
    ihr kamt, hat sie einfach ihre Rolle gespielt und so getan, als wäre sie zu high, um zu kapieren, was vor sich geht. Ich
    war es, der ausgerastet ist. Die Worte sind mir einfach so aus dem Mund gesprudelt, ich habe irgendeine Geschichte
    zusammengeschustert, ohne auf widersprüchliche Details
    zu achten. Sie hat nur zugehört, stand einfach da und sah zu, wie ich ins offene Messer rannte.»
    «Warum hast du gelogen?», fragte Sara, die immer
    noch nicht verstand. «Warum hast du das getan?»
    «Weil ich lieber ein kaltblütiger Mörder bin als eine
    Schwuchtel.»
    Die Endgültigkeit seiner Worte hing schwer im Raum.
    Er tat ihr unendlich Leid.
    «Ich bin einfach nicht normal, Sara.» Er hielt inne, als brauchte er Zeit, sich zu sammeln. «Wenn ich diesen Trieb mit einem Messer aus mir rausschneiden könnte, ich wür-de es tun. Ich würde mir das verfluchte Herz rausschnei‐
    den, um normal zu sein.»
    «Du bist normal», beharrte sie.
    «Es ist zu spät.»
    «Komm doch zur Vernunft», sagte sie. «Du musst nicht
    fliehen. Du bist unschuldig, Robert. Du hast nichts von alldem getan. Es ist nicht deine Schuld.»
    «Es ist alles meine Schuld», gab er zurück. «Ich habe
    gesündigt, Sara. Ich habe gegen Gott gesündigt. Ich habe
    meinen Schwur gebrochen. Ich bin mit einem Mann zu‐
    sammen gewesen. Wie oft habe ich mir gewünscht, er
    wäre tot! Jessie hatte den Finger am Abzug, aber ich habe

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    sie so weit gebracht. Ich hab ihn mit in unser Haus genom‐
    men. Es gibt kein Zurück mehr.»
    «Du bist, wer du bist», sagte sie, auch wenn sie längst begriffen hatte, dass er nicht mit sich reden ließ. «Du hast keinen Grund, dich zu schämen.»
    «Doch», sagte er und griff nach der Pistole. «Doch, das
    habe ich.»
    «O Gott –»
    Mit ruhiger Hand hielt er ihr die Pistole an den Kopf.
    Sara schloss die Augen und dachte an all die Dinge, die sie
    in ihrem Leben versäumt hatte. Sie fragte sich, wie ihre El‐
    tern darüber hinwegkämen. Tessa brauchte sie noch, und
    Jeffrey ... Es gab

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