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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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schlechter
    Mensch bist.»
    Er zuckte zusammen, als er das Wort horte.
    Sara bewegte ihr Bein unter dem Klebeband, um zu se‐
    hen, ob sie sich nicht doch befreien könnte.
    «Alles, was ich für sie tat, ging den Bach runter.» Auf einmal erschien ein seltsames Lächeln auf seinen Lippen.
    «Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn man das erste Mal im
    Leben verliebt ist?»
    Sara antwortete nicht.
    «Dan Phillips», sagte er. «Gott, war er schön. Unfass‐
    bar, dass ein Junge so hübsch sein konnte. Er hatte himmelblaue Augen, die ...» Er legte sich die Hand auf den Mund, dann ließ er sie sinken. «Wird dir nicht schlecht
    davon?»
    «Nein.»
    «Mir ist schlecht geworden», sagte er. «Julia hat uns
    hinter der Turnhalle erwischt. Verdammt, ich hab mich nie mit ihr eingelassen. Dan auch nicht. Wir haben nicht mal gewusst, dass das die Stelle war, wo sie mit den Jungs hinging.» Er lachte bitter. «Es war unser erstes Mal. Das erste und letzte Mal.»
    «Was hat sie getan?»
    «Sie hat Zeter und Mordio geschrien», sagte er. «Ich hab mich noch nie im Leben so geschämt. Von dem Blick, mit
    dem sie uns ansah, war mir wochenlang schlecht. Als wä‐

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    ren wir der letzte Dreck. Verdammt, wir waren der letzte Dreck. Dan ist abgehauen. Hat einfach die Stadt verlassen.
    Er konnte mein Gesicht nicht mehr sehen.»
    «Hast du sie deswegen umgebracht?»
    Er sah verletzt aus, als hätte sie ihn beleidigt. «Wenn du das glauben willst, bitte,»
    «Ich will die Wahrheit wissen.»
    Er starrte sie an. «Nein», sagte er dann. «Ich habe sie nicht umgebracht. Eine Zeit lang dachte ich, Jeffrey ist es vielleicht gewesen, aber ...» Er schüttelte den Kopf. «Jeffrey hat es auch nicht getan. Hier in der Stadt gibt es wahr‐
    scheinlich eine ganze Reihe von Typen, die sie aus dem
    einen oder anderen Grund gehasst haben, aber er nicht.»
    «Vergewaltigt hasst du sie auch nicht.»
    «Nein. Sie wollte mich nur quälen mit dem verdamm‐
    ten Gerücht. Sie dachte wohl, um mich zu verteidigen,
    müsste ich die Wahrheit sagen.» Er machte ein grimmiges
    Gesicht. «Aber das hätte ich niemals getan. Lieber wäre ich
    gestorben.»
    Sara musste fragen. «Und Jeffrey?»
    «Sie dachte, wenigstens für ihn würde ich mich outen.
    Ein schöner Freund bin ich gewesen, was? Hab die Leute
    glauben lassen, Jeffrey hätte sie vergewaltigt, nur um mein
    schmutziges Geheimnis zu bewahren.» Er schwieg kurz,
    dann sagte er eindringlich: «Es ist mein Ernst, Sara. Ich würde lieber sterben, als dass es rauskommt.»
    Er sah ihr in die Augen, und Sara verstand die Drohung.
    Sie musste dafür sorgen, dass er weiterredete. «Hast du
    deswegen behauptet, du hättest Luke getötet?»
    Robert starrte sie schweigend an. Dann sagte er: «Es ist alles wieder von vorn losgegangen.»
    «Was meinst du damit?»

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    «Er hat es gewusst», sagte er. «Der eine sieht es dem an‐
    deren wohl an.»
    «Luke?»
    «Eines Nachts hatte ich ihn hinten im Wagen. Er hatte
    im Bowling‐Center Ärger bekommen.» Robert sah wieder
    aus dem Fenster. «Es war kalt, und ich habe ihm meine
    Jacke gegeben. Dann hat eins zum anderen geführt. Ich
    weiß nicht mehr genau, wie es passiert ist... Nur dass es sich gut angefühlt hat. Am nächsten Tag habe ich mich
    dafür umso beschissener gefühlt.»
    Sara sah ihm die Qualen an. Trotz ihrer Lage tat er ihr Leid.
    «Ich weiß nicht wie, aber irgendwie hat er meine Letter‐
    man‐Jacke behalten. Vielleicht hat er sie aus dem Wagen
    geklaut, als ich nicht aufgepasst habe. Egal, jedenfalls steht
    da mein Namen drauf, dick und fett. Am nächsten Mor‐
    gen hat er mich auf dem Revier angerufen. Er hat gesagt, er würde sie tragen und jedem erzählen, dass er meine
    Freundin wäre.» Robert schnaubte entrüstet. «Er ist mir
    nachgelaufen, hat kokettiert wie ein verfluchtes Mäd‐
    chen.» Verkniffen starrte er auf seine Hände.
    «Du hättest ihm nur sagen müssen, dass er dich in Ruhe
    lassen soll», warf Sara ein. «Keiner hätte ihm geglaubt.»
    «So läuft das hier nicht», entgegnete er, und tief im
    Innern verstand sie, dass er Recht hatte. Klatsch war das Lebenselixier in einer kleinen Stadt wie Syiacauga. Selbst das absurdeste Gerücht war mehr wert als die langweilige
    Wahrheit des grauen Alltags.
    Sie fragte: «Was ist passiert, Robert?»
    Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Die Wahrheit musste
    für ihn viel schrecklicher sein als die Lüge, die er seit Tagen
    erzählte. «Ich war schwach. Ich sehnte mich nach

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