Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
nette Gegend gewesen, aber jetzt wirkte alles nur
    noch traurig. Autos waren vor Garagen auf Backsteinen
    aufgebockt, und die meisten Vorgärten waren lange nicht
    gemäht worden. Von den Häusern blätterte die Farbe ab
    und auf den Bürgersteigen wucherte Unkraut. Doch ein
    paar Aufrechte hatten den Kampf noch nicht aufgegeben,
    ihren makellosen Rasenflächen und den mit Pseudoklin‐
    ker verkleideten Häusern war anzusehen, dass auf Sauber‐
    keit und Ordnung Wert gelegt wurde. In diese Kategorie

    92
    fiel auch das Haus, vor dem Jeffrey geparkt hatte: Der Rasen war sorgfältig gestutzt und der Kies in der Auffahrt frisch geharkt.
    Sara schlenderte die Auffahrt hinauf, vorbei an dem
    Pick‐up. Ein breiter orangefarbener Streifen lief seitlich an der Tür herunter, auf dem in Blau das Logo der «Auburn
    Tigers» prangte. An der Haustür flatterte ein orangeblauer Wimpel. Sie bemerkte, dass sogar der Briefkasten orange
    und blau angemalt war. Offensichtlich war mindestens
    einer der Hausbewohner ein Fan der Footballmann schaff
    des Auburn College.
    Plötzlich kam ein kleiner Hund über den Bürgersteig
    geschossen, sprang an ihr hoch und hinterließ schmutzige
    Pfotenabdrücke auf ihrem Rock. Als er auf ihr «Nein»
    nicht hörte, kniete sie sich schließlich hin und streichelte das aufgeregte Tier, damit es ihren Rock nicht noch mehr einsaute.
    Der Hund kläffte, und Sara rümpfte die Nase, so übel
    war sein Mundgeruch. Sie strich ihm das struppige Fell auf
    dem Kopf zurück und kam zu der Erkenntnis, dass sie noch
    nie einen so hässlichen Hund gesehen hatte. Auf dem Rü‐
    cken hatte er lockiges Fell wie ein Pudel, an den Beinen war
    es drahtig wie bei einem Terrier. Die Färbung war eine un-ansehnliche Mischung aus schwarz, grau und braun. Dazu
    standen seine Augen vor, als würde ihm jemand die Eier
    quetschen, wobei ein Blick genügte, um zu sehen, dass er keine hatte. Der Hund war eine Hündin.
    Sara stand auf und versuchte, sich den Schmutz vom
    Rock zu klopfen. Die Erde hier in Alabama schien eine
    ganz andere Konsistenz zu haben als der Lehm in Georgia.
    Sie würde den Rock einweichen müssen, um ihn wieder
    sauber zu bekommen.

    93
    Ein Mann pfiff bewundernd, und Sara wurde rot, bis sie
    begriff, dass der Mann nicht sie meinte.
    Er trug eine Einkaufstüte im Arm und klopfte sich ans
    Bein. «Tiggy! Komm her, Mädchen.» Als der Hund nicht
    von Saras Seite wich, kam der Mann gutmütig lachend
    die Auffahrt herauf. Vor Sara blieb er stehen, musterte sie und pfiff durch die Zähne. «Süße, wenn du von den Zeugen Jehovas bist, bin ich bereit zu konvertieren.»
    Jetzt flog die Haustür auf, und eine dunkelhaarige Frau in
    Saras Alter kam heraus. «Hör nicht auf den Trottel», sagte sie zu Sara, doch sie betrachtete sie ihrerseits mit weniger Wohlwollen, als der Mann gezeigt hatte. «Sara, richtig?»
    «Mhm», murmelte Sara. «Richtig.»
    «Ich bin Darnell, aber alle nennen mich Nell. Und der da ist mein Mann Jerry. »
    «Nenn mich Possum», sagte er und tippte sich an die
    orangeblaue Baseballkappe.
    Verwirrt stotterte Sara: «Sehr erfreut.»
    «Ma'am», Possum tippte sich noch einmal an die
    Mütze, dann ging er ins Haus.
    Nell ließ den Hund herein, nicht aber Sara. «Also», be‐
    gann sie, gegen den Türpfosten gelehnt. «Du bist Jeffreys neuestes Spielzeug?»
    Sara wusste nicht, ob das ein Witz sein sollte, doch auch in Grant County hatte sie in der Richtung schon einiges
    erlebt. Resigniert verschränkte sie die Arme vor der Brust.
    «Sieht so aus.»
    Nell verzog den Mund, sie war noch nicht fertig. «Ste‐
    wardess oder Stripperin?»
    Jetzt lachte Sara laut los, doch sie brach ab, als Nell nicht
    mit einfiel. Dann streckte sie den Rücken durch und sagte:
    «Stripperin.» Das klang exotischer.

    94
    Die Frau kniff die Augen zusammen. «Jeffrey sagt, du
    machst was mit Kindern.»
    Sara wollte etwas Witziges sagen, doch das Einzige, das ihr
    spontan einfiel, war: «Ich trete mit Luftballon‐Tieren auf.»
    «Aha.» Endlich trat Nell einen Schritt zur Seite. «Die
    anderen sitzen draußen.»
    Sara ging durch das Wohnzimmer des bescheidenen
    Heims. Es war mit mehr Auburn‐Tigers‐Devotionalien voll
    gestopft, als die Polizei erlaubte. Pompons und Wimpel
    schmückten den Kamin, und über dem Kaminsims hing ein
    gerahmtes Trikot mit der Nummer siebzehn. Unter einer
    Glasglocke auf dem Couchtisch stand ein Modelldorf, das
    wahrscheinlich den College‐Campus darstellte. Im Regal
    lagen stapelweise

Weitere Kostenlose Bücher