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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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nickte und hoffte, damit war es gut. Sara war nicht geübt im Lügen, und sie wusste, sie durfte keine komplizierte Geschichte erfinden.
    «Wie alt warst du?»
    Sie zuckte die Achseln und sah zu, wie er mit dem
    Finger die Narbe entlangfuhr. Die Narbenränder wa‐
    ren gezackt, ganz anders als der präzise Schnitt eines
    Chirurgen. Das Sägemesser hatte das Gewebe aufgeris‐
    sen, die Klinge fast bist zum Schaft in ihrem Bauch versenkt.
    «Irgendwie sexy», sagte er und küsste wieder ihren
    Bauch.
    Sara legte die Hand auf seinen Hinterkopf und starrte
    an die Decke, als ihr das Ausmaß ihrer Lüge dämmerte.
    Noch waren sie am Anfang. Wenn sie an eine Zukunft mit
    Jeffrey dachte, dann mußte sie ihm jetzt die Wahrheit sagen, bevor es zu spät war.
    Er küsste sie auf die Lippen. «Morgen sollten wir früh
    aufbrechen.»

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    Sie öffnete den Mund, doch statt ihm die Wahrheit zu
    erzählen, fragte sie nur: «Willst du dich nicht von deinen Freunden verabschieden?»
    Er zuckte die Achseln. «Wir können sie doch von Flo‐
    rida aus anrufen.»
    «Oh, Mist.» Sie setzte sich auf und sah sich um. «Wie
    spat ist es?»
    Er wollte sie zurückhalten, doch Sara war schon bei
    ihrem Koffer. «Wo ist meine Uhr?»
    Jeffrey verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
    «Frauen brauchen keine Uhr.»
    «Wieso das denn?»
    Er grinste sie albern an. «Weil am Herd eine ist.»
    «Sehr witzig.» Sie warf ihre Bürste nach ihm, doch er
    fing sie einhändig auf. «Ich habe Mama versprochen, dass
    ich anrufe, sobald wir in Florida sind.»
    «Ruf sie morgen an.»
    Sie fluchte, als sie ihre Uhr fand. «Schon nach Mitter‐
    nacht. Sie macht sich sicher Sorgen.»
    «Das Telefon ist in der Küche.»
    Die Pyjamahose hing an ihrem Fuß, sie hatte es nicht
    einmal geschafft, sie ganz abzustreifen. So elegant wie
    möglich versuchte Sara, sie wieder anzuziehen.
    «Hey», protestierte er.
    Doch als sie aufsah, hatte er es sich anders überlegt und schüttelte den Kopf.
    Sara knöpfte sich das Oberteil zu und ging zur Tür. Als sie den Türknauf drehte, hielt sie inne. «Hier ist gar kein Schloss!»
    Er tat überrascht. «Ach, wirklich?»
    Sara zog die Tür hinter sich zu. Sie tastete sich den Flur entlang, bis sie wieder vor dem Esstisch stand. Der Geruch

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    nach Nikotin war noch stärker, als sie ihn in Erinnerung hatte. Mit großem Glück fand sie das Telefon an der Wand
    neben dem Kühlschrank.
    Sie meldete ein R‐Gespräch zur Nummer ihrer Eltern an
    und hoffte, sie hatte Jeffreys Mutter nicht aufgeweckt. Der
    Anruf wurde durchgestellt, und nach einmaligem Klingeln
    war ihr Vater am Apparat.
    «Sara?», krächzte Eddie.
    Erleichtert lehnte sie sich gegen die Arbeitsplatte.
    «Hallo, Daddy.»
    «Wo zum Teufel bist du?»
    «Wir haben in Sylacauga Halt gemacht.»
    «Wo zum Teufel ist das?»
    Sie wollte es ihm erklären, doch er ließ sie gar nicht zu Wort kommen.
    «Es ist schon nach Mitternacht», knurrte er, sein Ton
    war schärfer jetzt, da er wusste, dass es ihr gut ging. «Was
    zum Teufel machst du da überhaupt? Deine Mutter und
    ich sind krank vor Sorge.»
    Sara hörte Cathy im Hintergrund murmeln, dann
    brummte Eddie: «Ich will den Namen von diesem Kerl gar
    nicht hören. Früher hat sie nie so spät angerufen.»
    Sara wappnete sich gegen eine Tirade, doch ihrer Mut‐
    ter gelang es, ihrem Vater den Hörer abzunehmen, bevor
    er noch etwas sagen konnte.
    «Schätzchen?» Auch ihre Mutter klang besorgt, und
    Sara hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie sich in den letzten zwei Stunden nicht zwei Minuten Zeit genommen
    hatte, um sich bei ihren Eltern zu melden.
    «Tut mir Leid, dass ich nicht früher angerufen habe»,
    sagte sie. «Wir haben in Sylacauga Halt gemacht.»
    «Und was ist das?»

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    «Ein Städtchen.» Sara wusste nicht einmal, ob sie es
    richtig aussprach. «Jeffrey ist hier aufgewachsen.»
    «Oh», sagte Cathy. Sara wartete, doch ihre Mutter sagte
    nur: «Geht's dir gut?»
    «Ja», versicherte Sara. «Wir hatten einen netten Abend
    mit seinen Freunden. Sie sind zusammen zur Schule ge‐
    gangen. Es ist genau wie bei uns, nur kleiner.»
    «Ach, wirklich?»
    Sara versuchte ihren Tonfall zu deuten, doch es gelang
    ihr nicht. «Jetzt sind wir bei seiner Mutter. Ich habe sie noch nicht kennen gelernt, aber sie ist sicher auch sehr nett.»
    «Schön. Dann melde dich, wenn du morgen in Florida
    angekommen bist, falls du Zeit hast.»
    «In Ordnung», versprach Sara. Sie hätte ihrer Mutter
    gern erzählt, was passiert

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