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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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dem ihn die Bürger von Sylacauga sa‐
    hen. Als wäre er nicht besser als sein Vater.
    «Hallo», sagte Sara und setzte sich neben ihn auf die
    Treppe.
    Er zuckte zusammen. «Wie geht es Jessie?»
    «Sie ist auf dem Sofa eingeschlafen», sagte sie und
    schlang die Arme um ihre Knie. Sie klang distanziert, wie eine Fremde.
    «Hat sie was genommen?»
    «Ich glaube, nach dem Adrenalinschock fängt jetzt das
    Zeug zu wirken an, das sie vorher genommen hat.» Sie sah
    ihn aufmerksam an.
    «Was ist?»
    «Wir müssen miteinander reden.»
    Jeffrey ahnte Schlimmes, doch das, was sie sagte, war
    noch schlimmer.
    «Du hast den Tatort manipuliert.»
    «Was?» Er stand auf und stellte sich zwischen Sara und
    die Leute auf der Straße. Er wusste, er hatte nichts Falsches
    getan, trotzdem fühlte er sich ertappt. «Wovon zum Teufel
    redest du?»
    «Du hast die Tür offen gelassen.»

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    «Die Hintertür? Wie hätte ich sonst reinkommen sol‐
    len?»
    Sara presste das Kinn auf die Brust, wie immer, wenn
    sie sich beherrschen musste. «Der Schrank. Du hast die
    Schranktür aufgemacht. Du hast das Hemd zurückgelegt.»
    Jetzt erinnerte er sich, und zum ersten Mal in seinem
    Leben verstand er seine eigene Handlungsweise nicht.
    «Ich habe nur –» Er hatte keine Antwort. «Ich weiß nicht, was ich da getan habe. Ich war außer mir. Das hat nichts zu
    bedeuten.»
    Saras Tonfall war ganz sachlich. «Jemand hält seiner
    Frau eine Pistole an den Kopf, schießt auf ihn, und Robert rennt zum Schrank, packt seine Waffe und schließt die
    Schranktür wieder?»
    Jeffrey versuchte eine logische Erklärung zu finden.
    «Wahrscheinlich hat er die Tür ganz automatisch wieder
    zugemacht.» Doch er merkte, dass er sich an einen Stroh‐
    halm klammerte. Das Timing stimmte einfach nicht.
    Sara stand auf und klopfte sich den Staub von der Pyja‐
    mahose. «Ich lasse mich nicht zum Komplizen machen»,
    sagte sie.
    «Komplize?» Jeffrey dachte, er hatte sich verhört.
    «Der Tatort wurde manipuliert.»
    «Das ist doch lächerlich», sagte er und lief ins Haus.
    Sie kam hinter ihm her, als wollte sie ihn nicht aus den Augen lassen. «Wo gehst du hin?»
    «Ich mache die Schranktür wieder zu», sagte er und
    ging ins Schlafzimmer. Vor dem Schrank hielt er inne. Die Tür war bereits wieder geschlossen.
    Als er Sara ansah, um ihre Erklärung zu hören, sagte
    sie: «Ich habe sie nicht zugemacht.»
    Jeffrey öffnete die Tür wieder und trat einen Schritt zu-153
    rück. Dann trat er noch einen Schritt zurück. Vor ihren
    Augen fiel die Schranktür von allein zu. Erleichtert lachte er auf. «Siehst du?» Er wiederholte den Vorgang noch einmal mit dem gleichen Ergebnis. «Wahrscheinlich ist der
    Boden uneben», erklärte er und zeigte auf die Dielen.
    «Wenn man loslässt, schließt sich die Tür.»
    Ein Anflug von Zweifel blieb in Saras Blick. «Gut»,
    sagte sie, doch ganz überzeugt war sie nicht.
    «Was noch?»
    «War der Waffensafe abgeschlossen?»
    Er öffnete die Schranktür wieder und sah den schwar‐
    zen Kasten im oberen Fach. «Zahlenschloss», sagte er.
    «Vielleicht war er offen. Sie haben keine Kinder.»
    Sara sah den Toten auf dem Fußboden an. «Ich möchte
    bei der Obduktion dabei sein.»
    Jeffrey hatte den Toten fast vergessen. Jetzt drehte er
    sich um und betrachtete die Leiche. Das blonde Haar des
    Mannes war mit Blut verklebt und verdeckte sein Gesicht.
    Auf dem nackten Rücken klebten Blut und Gehirnmasse.
    Die Schnürsenkel seiner Turnschuhe lagen quer über dem
    Teppich. Jeffrey hatte nie verstanden, wie man darauf
    kam, ein Toter schlafe nur. Der Tod veränderte etwas in der
    Luft, er lud sie auf mit Spannung, Grauen. Selbst mit halb geschlossenen Augen und lockerem Kiefer gab es keinen
    Zweifel daran, dass der Mann tot war.
    Jeffrey sagte: «Lass uns rausgehen» und verließ das
    Zimmer.
    Auf dem Flur hielt Sara ihn auf. «Hast du mich ge‐
    hört?», sagte sie. «Ich will bei der Obduktion –»
    «Warum führst du sie nicht gleich selbst durch?», un‐
    terbrach er sie. Sein Gefühl sagte ihm, nur so konnte er sie
    zum Schweigen bringen. «Es gibt hier keinen Gerichtsme‐

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    diziner. Hier übernimmt der Typ vom Beerdigungsinstitut
    den Job für hundert Dollar pro Nase.»
    «Schön», sagte sie, doch ihr wachsamer Blick verriet,
    dass sie immer noch misstrauisch war. Jeffrey wusste,
    wenn sie irgendetwas Ungewöhnliches entdeckte, von
    einem Ausschlag bis zu einem eingewachsenen Zehen‐
    nagel, würde sie versuchen,

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