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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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großzuziehen, und sie wären ein glückliches Ehepaar, bis Lena die Zähne ausfielen und sie am Stock ging.
    Wie um sie an Ethans Rolle bei dem Ganzen zu erinnern, klingelte das Telefon. Lena brachte es zum Schweigen.
    Nan fuhr fort. «Sibyl hätte auch gewollt, dass du hier wohnst. Sie hat dich immer beschützen wollen.»
    Lena räusperte sich. Sie brach in Schweiß aus. Hatte Nan einen Verdacht?
    «Beschützen vor Dingen, die du nicht im Griff hast.»
    Das Telefon klingelte. Lena drückte die Tasten, ohne auf das Display zu sehen.
    «Und mir tut es gut, jemanden um mich zu haben, der Sibyl kannte», fuhr Nan fort. «Jemand, der sie mochte und» – sie wartete ab, bis Lena das nächste Klingeln abgestellt hatte – «dem etwas an ihr gelegen hat. Jemand, der weiß, wie schwer es ist ohne sie.» Wieder verstummte sie, doch diesmal nicht wegen des Telefons. «Du siehst ihr nicht einmal mehr ähnlich.»
    Lena sah ihre Hände an. «Ich weiß.»
    «Das hätte ihr nicht gefallen, Lee. Das hätte sie am allerschlimmsten gefunden.»
    Beiden traten aus verschiedenen Gründen die Tränen in die Augen, und als das Telefon zum hundertsten Mal klingelte, nahm Lena ab, nur um den Bann zu brechen.
    «Lena», schrie Frank Wallace. «Wo zum Teufel warst du?»
    Sie sah auf die Uhr am Herd. Sie sollte erst in einer halben Stunde auf dem Revier erscheinen.
    Frank wartete ihre Antwort nicht ab. «Wir haben eine Geiselnahme auf dem Revier. Beweg deinen Arsch sofort hierher.»
    Dann knallte er den Hörer auf.
    Nan fragte: «Was ist?»
    «Eine Geiselnahme», sagte Lena und legte das Telefon auf den Tisch. Sie kämpfte gegen den Impuls, sich an die Brust zu greifen, wo ihr das Herz bis zum Hals schlug. «Auf dem Revier.»
    «O Gott», stöhnte Nan. «Das gibt es doch gar nicht. Wurde jemand verletzt?»
    «Er hat nichts gesagt.» Lena trank den Kaffee aus, obwohl ihr Adrenalinpegel keinen weiteren Schub brauchte. Sie suchte auf der Küchentheke nach ihrem Schlüssel. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
    Nan sagte: «Weißt du noch, was in Ludowici passiert ist?»
    «Lieber nicht.» Lenas Herz flatterte. Vor sechs Jahren waren im Nachbarbezirk sechs Gefangene aus ihren Zellen ausgebrochen und hatten einen Wärter in ihre Gewalt gebracht. Es war zur Belagerung gekommen. Nach drei Tagen waren fünfzehn Gefangene tot oder verletzt. Vier Polizeibeamte waren gestorben. Im Geist ging Lena alle Cops durch, die sie auf dem Revier kannte, und fragte sich, ob einer von ihnen verletzt worden war.
    Sie durchsuchte ihre Taschen nach den Schlüsseln.
    Wieder klingelte das Telefon.
    Lena rief: «Wo sind meine   –»
    Nan deutete auf den Haken in Form einer Ente der Wand. Beim zweiten Klingeln nahm sie das Telefon in die Hand. «Was soll ich ihm sagen?»
    Lena pflückte die Schlüssel vom Schnabel der Ente. Sie wich Nans Blick aus, als sie die Tür öffnete. «Sag ihm, ich bin schon bei der Arbeit.»
     
    Lena fuhr in ihrem Toyota Celica die Main Street hinunter und stellte überrascht fest, dass die Stadt wie ausgestorben war. Heartsdale war zwar nicht gerade eine brodelnde Metropole, doch montagmorgens sah man doch für gewöhnlich ein paar Leute auf den Bürgersteigen und irgendwelche Studenten, die zum College radelten. Als sie über die Kreuzung fuhr, suchte sie nach irgendwelchen Anzeichen von Leben. Das Neonschild des Heimwerkermarkts war dunkel, und an der Tür der Modeboutique klebte ein Zettel, auf den jemand «Geschlossen» gekritzelt hatte. Zwei Streifenwagen der Grant County Police blockierten die Straße, und Lena parkte auf einem der leeren Parkplätzevor dem Diner. Als Lena ausstieg, hatte sie das Gefühl, in einer Geisterstadt zu sein. Die Luft war still und reglos. Lena sah ihre Spiegelung in den Fenstern des abgedunkelten Schnellrestaurants. Die Stühle standen auf den Tischen, und die Mittagskarte war aus ihrem Saugnapf an der Glastür gefallen. Doch das war nichts Neues. Der Diner hatte vor einem Jahr zugemacht.
    Weiter die Straße hinunter standen zwei Zivilfahrzeuge der Polizei vor der Reinigung Burgess, genau dem Polizeirevier gegenüber. Auf dem Parkplatz der Kinderklinik parkten weitere Polizeiwagen, außerdem standen drei Streifenwagen vor dem Revier mitten auf der Straße. Die Zufahrtsstraße des College wurde vom Chevy der Campus-Security abgeriegelt, doch der Möchtegerncop, der in dem Wagen sitzen sollte, war nirgends zu sehen.
    Lena stand auf dem Bürgersteig und blickte die Straße hinunter. Fast rechnete sie

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