Schattenblume
damit, Steppenläufer vorbeiwehen zu sehen. Das Schaufenster der Reinigung war dunkel getönt, sodass sich selbst aus nächster Nähe kaum etwas im Innern erkennen ließ. Lena nahm an, dass Jeffrey hier die Kommandozentrale eingerichtet hatte. Hinter dem Gefängnis war nur der Parkplatz, und die Gefangenen hatten die Türen mit Sicherheit längst verbarrikadiert. Die Reinigung war der einzig sinnvolle Ort.
«Hallo», sagte sie zu dem Uniformierten, der bei den Streifenwagen stand. Er blickte die Straße hinauf, von seinem Posten aus in die falsche Richtung.
Mit der Hand an der Waffe fuhr er herum. Er verströmte Stress wie schlechten Körpergeruch.
Sie streckte ihm die Hände entgegen. «Ich gehöre zur Truppe. Nur die Ruhe.»
Seine Stimme zitterte. «Sind Sie Detective Adams?»
Sie kannte den Mann nicht, doch selbst wenn, wäre Lena wahrscheinlich nichts eingefallen, wie sie ihn hätte beruhigen können. Er war leichenblass, und falls er es überhaupt schaffte, die Waffe zu ziehen, würde er sich wohl eher ein Loch in den Fuß schießen, als irgendein Ziel zu treffen.
«Was ist hier los?», fragte sie.
Er schaltete das Funkgerät an seiner Schulter ein. «De tective Adams ist da.»
Franks Stimme antwortete sofort. «Schick sie hintenrum.»
«Gehen Sie durch die Drogerie», wies sie der Uniformierte an. «Die Hintertür der Reinigung ist offen.»
«Was ist hier los?»
Er schüttelte den Kopf, und sie sah, wie beim Schlucken sein Adamsapfel hüpfte.
Lena folgte seiner Anweisung und betrat den großen Laden. Über der Tür hing eine Kuhglocke, deren Läuten ihr durch Mark und Bein ging. Sie griff nach oben und brachte die Glocke zum Schweigen, bevor sie durch den leeren Laden nach hinten ging. Ein halb voller Einkaufskorb stand auf dem Boden des Mittelgangs, als hätte der Kunde plötzlich die Flucht ergriffen. Jemand war dabei gewesen, die neongrüne Leuchtreklame einer Sonnencreme zu installieren, die jetzt an einem dünnen Kabel herunterbaumelte. Alle Lichter brannten, auch das Neonschild über dem Apothekentresen, doch der Laden war menschenleer. Auch von dem blonden Spinner, der immer am Schreibtisch hinten im Büro saß, war nichts zu sehen.
Die Tür zum Lager machte ein schmatzendes Geräusch, als Lena sie aufdrückte. Stapel beschrifteter Kisten säumten die Wände vom Boden bis zur Decke: Zahncreme, Klopapier,Zeitschriften. Lena wunderte sich, dass die findigen College-Studenten noch nicht spitzgekriegt hatten, dass die Läden hier offen und unbewacht waren. Sie hatte selbst ein paar Monate für die Campus-Security des Grant Tech gearbeitet und wusste aus Erfahrung, dass die Burschen mehr Zeit mit Stehlen verbrachten als mit Studieren.
Die Hintertür stand weit offen, und Lena musste im Sonnenlicht blinzeln. Schweiß rann ihr am Hals hinunter, sie wusste nicht, ob von der Hitze oder von der Anspannung. Ihre Schuhe knirschten auf dem Schotter, als sie zur Reinigung ging, wo zwei Uniformierte Wache hielten. Die kleine hübsche Polizistin wäre wahrscheinlich auf Lenas Posten aufgerückt, wenn sie nicht zurückgekommen wäre. Der andere war jünger, er wirkte noch nervöser als der Kerl bei den Streifenwagen.
Lena zog ihre Marke heraus und wies sich aus, obwohl sie die Frau kannte. «Detective Adams.»
«Hemming», sagte die Polizistin, die Hand am Pistolengurt. Trotz der Umstände schaffte sie es mit einem Blick, Lena ihre Abneigung zu zeigen. Ihren Partner stellte sie nicht vor.
«Was ist hier los?», fragte Lena.
Hemming wies mit dem Daumen in Richtung Reinigung. «Sie sind da drin.»
Drinnen trocknete die kühle Luft ihren Schweiß innerhalb von Sekunden. Lena schob sich an Reihen von Wäschesäcken vorbei, die auf Abholung warteten. Der Geruch von Chemikalien war fast unerträglich, und sie musste husten, als sie den Bottich mit der Wäschestärke passierte. Die Bügelmaschinen waren noch angeschaltet, wie Flammenwerfer sandten sie Hitzewellen aus. Burgess, der alte Besitzer der Reinigung, war nirgends zu sehen,dabei sah es ihm gar nicht ähnlich, dass er alles stehen und liegen ließ. Lena drehte nach und nach die Temperaturregler herunter und beobachtete dabei eine Gruppe von Männern, die ein paar Meter weiter vorne standen. Bei der letzten Bügelmaschine blieb sie stehen, als sie an den beigen Hosen und dunkelblauen Hemden die Mitarbeiter des Georgia Bureau of Investigation erkannte. Die waren schnell hier aufgekreuzt. Nick Sheldon, der örtliche GBI Field Agent in Grant County, stand
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