Schattenblume
weiß von Steve Mann. Liebe Güte, die ganze Stadt hat es gewusst, nachdem Mac Anders euch hinter der Hotdog-Bude erwischt hat.»
Sara starrte auf den Fußboden und versuchte, nicht vor Scham in den Boden zu versinken.
Cathy fuhr fort. «Mason James.»
«Mama.»
«Das sind zwei.»
«Du vergisst den letzten», erinnerte sie Sara, doch sie bereute es, als sie sah, wie sich das Gesicht ihrer Mutter verfinsterte.
Cathy legte Saras Pyjamahose zusammen. Dann fragte sie mit sanfterer Stimme: «Weiß Jeffrey von der Vergewaltigung?»
Sara versuchte ruhig zu bleiben. «Das Thema hat sich noch nicht ergeben.»
«Was hast du ihm denn gesagt, warum du von Atlanta weggegangen bist?»
«Nichts», sagte sie einfach und behielt die Tatsache für sich, dass Jeffrey auch nicht besonders neugierig gewesen war.
Cathy strich den Pyjama glatt. Als sie nach einem nächsten Kleidungsstück griff, stellte sie fest, dass sie bereits alles auf dem Bett neu gefaltet hatte. «Du darfst dich nicht dafür schämen, was passiert ist, Sara.»
Sara zuckte die Achseln, dann stand sie auf, um ihren Koffer zu holen. Es ging nicht darum, dass sie sich schämte, sie hatte ganz einfach die Nase voll davon, dass die Leute sie anders behandelten als normale Menschen – besonders ihre Mutter. Mit den besorgten Blicken und peinlichen Redepausen der Hand voll Leute, die wussten, weshalb sie wirklich nach Grant County zurückgekommen war, konnte sie gerade noch umgehen, doch das gespannte Verhältnis zu ihrer Mutter wurde immer unerträglicher.
Sara öffnete den Koffer und begann die Sachen einzupacken.«Ich sage es ihm, wenn die Zeit reif dafür ist. Falls die Zeit je reif ist.» Wieder zuckte sie die Achseln. «Vielleicht ist die Zeit nie reif.»
«Man kann keine stabile Beziehung aufbauen, wenn man Geheimnisse voreinander hat.»
«Es ist kein Geheimnis», gab Sara zurück. «Es ist nur sehr persönlich. Es ist etwas, das mir passiert ist, und ich habe einfach keine Lust …» Sie beendete den Satz nicht. Mit ihrer Mutter über die Vergewaltigung zu sprechen, so weit war sie noch nicht. «Gibst du mir bitte die Baumwollbluse da?»
Cathy sah sie missbilligend an, dann gab sie ihr die Bluse. «Ich habe zu viele Frauen gesehen, die gekämpft haben, um so weit zu kommen wie du, und dann haben sie in einer Minute alles über den Haufen geworfen für einen Mann, der sie ein paar Jahre später sitzen gelassen hat.»
«Ich gebe für Jeffrey doch nicht meine Karriere auf.» Sara lachte bitter. «Schwanger werden und Kinder großziehen müssen geht schließlich nicht.»
Cathy quittierte den Kommentar mit einem finsteren Blick. «Darum geht es doch nicht, Sara.»
«Worum geht es dann, Mama? Worüber machst du dir solche Sorgen? Was könnte ein Mann mir Schlimmeres antun als das, was schon geschehen ist?»
Cathy betrachtete ihre Hände. Sie weinte nie, doch manchmal, wenn sie schwieg, brach es Sara fast das Herz.
Sara setzte sich zu ihrer Mutter aufs Bett. «Tut mir Leid», sagte sie, obwohl sie es satt hatte, sich zu entschuldigen. Sie hatte solche Schuldgefühle, dass sie ihrer ansonsten so vollkommenen Familie all das aufbürdete, und manchmal dachte sie, es wäre das Beste, zu gehen und die Familie endlich wieder zur Ruhe kommen zu lassen.
Cathy sagte: «Ich will nicht, dass du dich aufgibst.»
Sara hielt die Luft an. Ihre Mutter hatte ihre Ängste noch nie ausgesprochen. Sara wusste wahrscheinlich besser als jeder andere, wie leicht es war aufzugeben. Nach der Vergewaltigung hatte sie nur noch heulend im Bett gelegen. Sie hatte keine Ärztin, keine Schwester, keine Tochter mehr sein wollen. Zwei Monate lang hatte Cathy gebettelt und gefleht, und schließlich hatte sie Sara buchstäblich aus dem Bett geworfen. Und dann tat Cathy, was sie schon in Saras Kindheit immer getan hatte – sie hatte Sara in die Kinderklinik gebracht, und diesmal verarztete Dr. Barney Sara, indem er ihr einen Job in seiner Praxis gab. Ein Jahr später hatte Sara dann noch ein zweites Amt übernommen und war Gerichtsmedizinerin von Grant County geworden, um das Geld für die Übernahme von Dr. Barneys Praxis aufzutreiben. Nach zweieinhalb Jahren hatte sie sich in Grant County ein neues Leben aufgebaut, und nun hatte Cathy Angst, sie würde wegen Jeffrey alles hinschmeißen.
Sara stand auf und ging zum Schrank. «Mama …»
«Ich mache mir Sorgen.»
«Mir geht es wieder gut», sagte Sara, auch wenn sie wusste, dass sie nie vollkommen genesen würde. Es
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