Schattenblume
würde immer ein Vorher und ein Nachher geben, egal, wie viel Zeit verstrich. «Du musst dich nicht mehr um mich kümmern. Ich bin stark. Ich schaffe das schon.»
Cathy warf die Arme in die Luft. «Er will sich nur amüsieren mit dir. Das ist alles, was er will – Spaß.»
Sara zog eine Schublade nach der anderen auf, auf der Suche nach ihrem Badeanzug. Dann sagte sie: «Vielleicht will ich ja dasselbe. Vielleicht will ich auch einfach nur ein bisschen Spaß.»
«Ich wünschte, das könnte ich dir glauben.»
«Das wünschte ich auch», sagte Sara. «Weil es stimmt.»
«Ich weiß nicht, Liebes. Du hast ein so weiches Herz.»
«So weich ist es nicht mehr.»
«Was in Atlanta passiert ist, macht dich nicht zu einem anderen Menschen.»
Sara zuckte die Achseln und steckte den Badeanzug in den Koffer. Es hatte die Menschen um sie herum verändert, und das machte alles noch schwerer. Sara war voller Wut, dass sie vergewaltigt worden war, und sie war wütend, weil das Monster, das über sie hergefallen war, wahrscheinlich in ein paar Jahren wegen guter Führung aus dem Gefängnis entlassen würde. Sie war stinksauer, weil ihr ganzes Leben plötzlich Kopf gestanden hatte. Sie hatte die Stelle im Grady Hospital aufgeben müssen, auf die sie so lange hingearbeitet hatte, weil die Kollegen bei der Notaufnahme sie wie ein rohes Ei behandelten. Die Assistenzärztin, die sie nach der Vergewaltigung versorgt hatte, konnte Sara danach nicht mehr in die Augen sehen, und die Kommilitonen machten keine Witze mehr, aus lauter Angst, sie könnten etwas Falsches sagen. Selbst die Krankenschwestern behandelten Sara mit Samthandschuhen, als machte sie die Vergewaltigung zu einer Art Heiligen.
Cathy sagte: «Mehr willst du nicht dazu sagen? Heißt dieser Blick, dass das Thema für dich beendet ist?»
«Ich will nicht darüber sprechen», gab Sara entnervt zurück. «Ich will kein ernstes Gespräch führen. Ich habe es satt, ernst zu sein.» Sie zog den Reißverschluss des Koffers zu. «Ich habe es so satt, die Musterschülerin zu sein. Ich habe es satt, zu groß für die süßen Typen zu sein. Ich habe es satt, mit Männern auszugehen, die Rücksicht auf meineGefühle nehmen und langsam und sanft und vorsichtig sind und unsere Zukunft planen und mich behandeln wie eine Mimose und –»
«Mason James ist ein reizender Junge.»
«Genau, Mama. Er ist ein Junge. Ich habe Jungs satt. Ich habe es satt, dass Leute in meiner Gegenwart einen Eiertanz aufführen, weil sie ständig versuchen, meine Gefühle nicht zu verletzen. Ich will jemand, der Schwung in die Bude bringt. Ich will Spaß haben.» Ohne nachzudenken sagte sie: «Ich will rumvögeln.»
Cathy schnappte nach Luft – nicht weil das Wort sie schockierte, sondern weil sie es aus Saras Mund hörte. Das Wort kam in Saras aktivem Wortschatz nicht vor, erst recht nicht, wenn sie mit ihrer Mutter sprach.
Cathy sagte nur: «Nicht in diesem Ton, bitte.»
«Wenn Tessa so redet, stört es dich nicht.»
Cathy rümpfte die Nase über Saras Logik. «Tessa sagt es, wenn sie es auch meint, nicht, wenn sie ihre Mutter schockieren will.»
«Ich rede immer so», log Sara.
«Wirst du auch immer so rot dabei?»
Saras Wangen liefen noch roter an.
«Von hier», demonstrierte Cathy und legte sich die Hand aufs Zwerchfell. Mit der anderen Hand dirigierte sie und sang: «Vö-geln.»
«Mutter!»
«Wenn du es schon sagst, dann mit Gefühl.»
«Du brauchst mir nicht erklären, wie man es sagt», zischte Sara, und als Cathy ihr ins Gesicht lachte, fügte sie hinzu: «Oder wie man es macht.»
Cathy lachte noch lauter. «Ich schätze, inzwischen weißt du Bescheid.»
Sara riss den Koffer vom Bett. «Sagen wir es so, etwas von seiner Fachkenntnis hat abgefärbt.»
«Oho.» Cathy lachte anerkennend.
Sara stemmte die Hände in die Hüften. «Wir machen es immerzu.»
«Ach wirklich?»
«Tag und Nacht.»
«Tag
und
Nacht?» Wieder brach Cathy in Gelächter aus. Sie setzte sich aufs Bett. «Das ist ja skandalös!»
«Ich treffe mich schließlich nicht wegen seiner messerscharfen Intelligenz mit ihm», sagte Sara. «Ich weiß nicht mal, ob er auf dem College war.»
Aus der Tür rief Tessa: «Sara?»
«Ehrlich gesagt», fuhr Sara fort. Sie wollte ihrer Mutter das selbstgefällige Grinsen endlich austreiben. «Ich habe nicht den Eindruck, dass er sehr helle ist.»
Cathy lächelte wissend. «Ach ja?»
Tessa versuchte es noch einmal. «Sara?»
«Ja, wirklich, und weißt du was? Es ist mir
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