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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Irgendwie hatte sie den Verdacht, dass Jessie noch schlimmer war als Nell. Sie kaschierte es nur besser. Nach ihrer Fahne zu urteilen, sorgte der Alkohol für den weichen Ton in ihrer Stimme.
    «Eine eingeschworene kleine Gemeinschaft», bemerkte Jessie und beugte sich zu ihrem Weinglas. «Ich bin neu in der Stadt. Soll heißen, ich bin erst seit zwanzig Jahren dabei. Wir sind von L.A. hergezogen, als ich in die elfte Klasse kam.»
    Ihrem Tonfall nach schloss Sara, dass Jessie mit «L.A.» Lower Alabama meinte.
    «Robert ist Cop, genau wie Jeffrey. Ist das nicht süß? Sie sind wie Mutt und Jeff in dem Comic, nur dass Jeffrey es hasst, Jeff genannt zu werden.» Sie trank einen kräftigen Schluck Wein. «Possum gehört der Laden drüben neben dem Tasty-Dog-Schnellimbiss. Du musst unbedingt die Kinder kennen lernen, vor allem den Jungen. Sie haben einen so hübschen Jungen. Kinder sind ein Geschenk Gottes. Nicht wahr, Bob?»
    «Was meinst du, Sugar?», fragte Bob, doch Sara war sicher, dass er sie genau verstanden hatte.
    Nell setzte sich neben Sara und reichte ihr eine Flasche Bier. «Friedensangebot», sagte sie.
    Sara nahm das Bier an, obwohl es wie Spülwasser schmeckte. Dann zwang sie sich zu sagen: «Ihr habt einen wunderschönen Garten.»
    Nell atmete tief durch. «Die Azaleen sind schneller verblüht, als Spucke trocknet. Der Nachbar ist nie zu Hause, und deshalb bellen seine Hunde den ganzen Tag lang. Ich werde die roten Ameisen bei der Hängematte einfach nicht los, und Jared kriegt dauernd Ausschlag vom Sumach, ohne dass ich rauskriege, wo der wächst.» Sie atmete noch einmal tief durch. «Aber vielen Dank. Ich tue mein Bestes.»
    Sara wollte Jessie in das Gespräch mit einbeziehen, doch als sie sich umdrehte, hatte die Frau die Augen geschlossen.
    «Wahrscheinlich bewusstlos.» Nell fächelte sich mit der Hand Luft zu. «Mein Gott, was war ich vorhin für eine Zicke.»
    Sara hatte nichts einzuwenden.
    «Normalerweise bin ich nicht so. Wenn Jessie wach wäre, würde sie zwar was anderes behaupten, aber man kann keiner Frau trauen, die vor vier Uhr nachmittags eine Flasche Wein intus hat, und damit meine ich nicht sonntags.» Sie schlug eine Fliege tot. «Hat sie dir schon erzählt, dass sie die Neue hier ist?»
    Sara nickte.
    «Sei froh, dass sie eingeschlafen ist. Als Nächstes macht sie dir weis, sie wäre auf die Heilsarmee angewiesen.»
    Sara trank einen Schluck Bier.
    «Slick ist seit Ewigkeiten nicht mehr hier gewesen. Damalshat er die Stadt so schnell verlassen, als würde er mit benzingetränkten Hosen durch die Hölle laufen.» Sie hielt inne. «Wahrscheinlich war ich nur wütend auf ihn und hab es an dir ausgelassen.» Sie legte die Hand auf Saras Armlehne. «Ich will damit sagen, tut mir Leid, dass ich eine Zicke war.»
    «Danke für die Entschuldigung.»
    «Ich hab mich kaputtgelacht, als du das mit den Luftballon-Tieren gesagt hast.» Sie grinste. «Er hat gesagt, dass du Ärztin bist, aber ich hab ihm nicht geglaubt.»
    «Kinderärztin», bestätigte Sara.
    Nell lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. «Man muss ziemlich was in der Birne haben, um Medizin zu studieren, was?»
    «Na ja.»
    Sie nickte anerkennend. «Dann schätze ich, du weißt, auf was du dich mit Jeffrey einlässt?»
    «Danke», sagte Sara und meinte es ehrlich. «Du bist die Erste, die mir das sagt.»
    Jetzt wurde Nell wieder ernst, sie sah Sara mitleidig an. «Wunder dich nicht, wenn ich auch die Letzte bin.»

KAPITEL SECHS
    W ährend der fünf Stunden, die sie bei Nell im Garten verbrachte, erfuhr Sara mehr über Jeffrey Tolliver als in den drei Monaten, seit sie ihn kennengelernt hatte. Jeffreys Mutter war Alkoholikerin, und sein Vater saß im Knast wegen einer Sache, über die niemand Genaueres sagen wollte. Jeffrey hatte ohne Erklärung kurz vor dem Abschluss das College abgebrochen und bei der Polizei angefangen. Er war ein guter Tänzer und hasste Bohnen. Er war nicht der Typ zum Heiraten, doch das war Sara auch ohne Nells Hilfe klar gewesen. Jeffrey war der Inbegriff des eingefleischten Junggesellen.
    Aber weil Nell Sara all diese Informationen während einer ehrgeizigen Partie
Trivial Pursuit
zuflüsterte, kannte Sara am Ende zwar die Schlagzeilen, nicht aber die nötigen Hintergrundinformationen. Es war stockdunkel, als sie sich verabschiedeten, und auf dem Weg zu Fuß zu Jeffreys Mutter überlegte Sara fieberhaft, wie sie die Wissenslücken füllen könnte.
    Sie versuchte es mit: «Und was macht deine Mutter

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