Schattenblume
so?»
«Alles Mögliche», sagte er unbestimmt.
«Und dein Vater?»
Er nahm ihren Koffer in die andere Hand und legte denArm um ihre Taille. «Du scheinst dich heute Abend gut amüsiert zu haben.»
«Nell hat viel zu erzählen.»
«Sie hört sich selbst gern reden.» Er ließ die Hand über ihre Hüfte gleiten. «Ich würde nicht alles glauben, was sie sagt.»
«Wie meinst du das?»
Seine Hand rutschte noch ein Stück tiefer, und er küsste ihren Nacken. «Du riechst gut.»
Sara durchschaute sein Manöver, doch sie ließ sich nicht ablenken. «Bist du dir sicher, dass es deiner Mutter recht ist, wenn wir bei ihr übernachten?»
«Ich habe sie vorhin angerufen», sagte Jeffrey. «Als Nell dir meine Lebensgeschichte erzählt hat.»
Sein Blick gab ihr zu verstehen, dass er Bescheid wusste, was Nell so quatschte, und Sara nahm an, dass er sie nicht mitgenommen hätte, wenn er nicht genau gewusst hätte, wie es ablaufen würde.
Sie fand, dass Angriff noch immer die beste Verteidigung war. «Ziemlich billiger Trick, mich über dein Leben aufzuklären, ohne dass du ein Wort sagen musst.»
«Ich sag doch, ich würde nicht alles glauben, was Nell erzählt.»
«Sie kennt dich, seit du sechs Jahre alt warst.»
«Sie ist nicht gerade mein größter Fan.»
Langsam dämmerte Sara, was es mit der Spannung zwischen den beiden auf sich hatte. «Sag nicht, ihr beiden wart mal ein Paar?»
Er antwortete nicht, und sie nahm das als Bestätigung.
«Wir sind da», sagte er schließlich und zeigte auf ein Häuschen, vor dem ein alter Chevy Impala parkte. Trotz seines Anrufs hatte Jeffreys Mutter offensichtlich keinLicht für sie angelassen. Das Haus lag in vollkommener Finsternis.
Sara zögerte. «Vielleicht sollten wir lieber im Hotel übernachten?»
Er lachte und half ihr über den Schotterweg. «Hier gibt es keine Hotels. Bis auf den Schuppen hinter der Kneipe, wo die Fernfahrer die Zimmer stundenweise mieten.»
«Klingt doch romantisch.»
«Für die Fernfahrer vielleicht.» Er führte sie zur Haustür. Selbst im Dunkeln konnte Sara sehen, dass das Haus zu denen gehörte, die der Verwahrlosung anheim gefallen waren. Jeffrey warnte sie: «Vorsicht, Stufe», und tastete mit der Hand über den Türrahmen.
«Sie schließt die Tür ab?»
«Als ich zwölf war, wurden wir ausgeraubt», erklärte er und klimperte mit dem Schlüssel. «Seitdem hat sie Angst.» Die Tür klemmte ein bisschen, und er half mit einem gezielten Tritt nach. «Willkommen.»
Drinnen stank es überwältigend nach Nikotin und Alkohol. Sara war froh, dass die Dunkelheit ihr Gesicht verbarg. Das Haus war stickig, und Sara konnte sich kaum vorstellen, hier zu übernachten, geschweige denn hier zu leben.
«Alles in Ordnung», sagte Jeffrey und schob sie in den Flur.
Sie flüsterte: «Müssen wir nicht leise sein?»
«Die verschläft sogar einen Tornado.» Er machte die Tür hinter ihnen zu. Dann schloss er wieder ab, und sie hörte, wie er den Schlüssel in eine Glasschüssel fallen ließ.
Sara spürte seine Hand unter ihrem Ellbogen. «Hier geht’s lang.» Er ging dicht hinter ihr. Nach vier Schritten durch den Eingangsbereich stand Sara plötzlich vor demEsstisch. Noch drei Schritte und sie befanden sich in einem kleinen Flur, der von einem Nachtlicht schwach erleuchtet wurde. Vor ihr war das Bad, rechts und links je eine geschlossene Tür. Jeffrey öffnete die rechte Tür und folgte Sara hinein. Er schloss die Tür hinter sich, bevor er Licht anmachte.
«Oh», sagte Sara und sah sich blinzelnd in dem kleinen Zimmer um. Ein schmales Bett mit grünen Laken, ohne Decke, stand in einer Ecke unter dem Fenster. Poster von halb nackten Frauen schmückten die Wände, den Ehrenplatz über dem Bett nahm Farrah Fawcett ein. Nur der Wandschrank fiel aus dem Rahmen: Auf seiner Tür prangte das Poster eines kirschroten Mustang Cabrios mit einer Wasserstoffblondine, die sich über die Kühlerhaube beugte – wahrscheinlich weil sie wegen des Gewichts ihrer silikonvergrößerten Brüste nicht aufrecht stehen konnte.
«Reizend», bemerkte Sara und fragte sich, wie viel schlimmer der Schuppen hinter der Kneipe sein konnte.
Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, wirkte Jeffrey verlegen. «Meine Mutter hat nichts verändert, seit ich weggezogen bin.»
«Das sehe ich», sagte Sara. Und irgendwie machte es sie sogar ein bisschen an. Ihre Eltern hatten ihr immer eingebläut, dass Jungenzimmer tabu seien, und so hatte Sara noch nie eins betreten. Auch wenn die Poster
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