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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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er in eine Seitenstraße hinter dem Krankenhaus ein, fuhr in eine Auffahrt und hielt neben einem blauen Pick-up. An der vorderenVeranda lehnte ein rosa Kinderfahrrad, und von der großen Eiche im Vorgarten baumelte ein Autoreifen als Schaukel. Sara fragte: «Hier wohnt deine Mutter?»
    «Letzter Umweg», erklärte er. Sein Lächeln wirkte gezwungen. «Ich bin gleich wieder da.» Und schon war er ausgestiegen, noch bevor sie fragen konnte, wo sie hier waren.
    Sara beobachtete, wie Jeffrey zur Haustür ging und klopfte. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und drehte sich zu ihr um. Sie winkte, aber wahrscheinlich konnte er sie im Gegenlicht nicht sehen. Jeffrey klopfte noch einmal, ohne dass ihm jemand öffnete. Er drehte sich wieder um, beschirmte die Augen gegen die Sonne und bedeutete Sara mit einem Finger, noch eine Minute zu warten. Während er ums Haus lief, machte sie die Wagentür auf und stieg aus.
    Während sie wartete, sah sich Sara um. Die Nachbarschaft erinnerte sie an Avondale, nicht gerade das feinste Pflaster in Grant County. Hier standen vor allem Häuser aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die man hastig zusammengezimmert hatte, damit die heimkehrenden Soldaten Familien gründen und den Krieg hinter sich lassen konnten. In den vierziger Jahre war dies wahrscheinlich eine nette Gegend gewesen, aber jetzt wirkte alles nur noch traurig. Autos waren vor Garagen auf Backsteinen aufgebockt, und die meisten Vorgärten waren lange nicht gemäht worden. Von den Häusern blätterte die Farbe ab und auf den Bürgersteigen wucherte Unkraut. Doch ein paar Aufrechte hatten den Kampf noch nicht aufgegeben, ihren makellosen Rasenflächen und den mit Pseudoklinker verkleideten Häusern war anzusehen, dass auf Sauberkeit und Ordnung Wert gelegt wurde. In diese Kategoriefiel auch das Haus, vor dem Jeffrey geparkt hatte: Der Rasen war sorgfältig gestutzt und der Kies in der Auffahrt frisch geharkt.
    Sara schlenderte die Auffahrt hinauf, vorbei an dem Pick-up. Ein breiter orangefarbener Streifen lief seitlich an der Tür herunter, auf dem in Blau das Logo der «Auburn Tigers» prangte. An der Haustür flatterte ein orangeblauer Wimpel. Sie bemerkte, dass sogar der Briefkasten orange und blau angemalt war. Offensichtlich war mindestens einer der Hausbewohner ein Fan der Footballmannschaft des Auburn College.
    Plötzlich kam ein kleiner Hund über den Bürgersteig geschossen, sprang an ihr hoch und hinterließ schmutzige Pfotenabdrücke auf ihrem Rock. Als er auf ihr «Nein» nicht hörte, kniete sie sich schließlich hin und streichelte das aufgeregte Tier, damit es ihren Rock nicht noch mehr einsaute.
    Der Hund kläffte, und Sara rümpfte die Nase, so übel war sein Mundgeruch. Sie strich ihm das struppige Fell auf dem Kopf zurück und kam zu der Erkenntnis, dass sie noch nie einen so hässlichen Hund gesehen hatte. Auf dem Rücken hatte er lockiges Fell wie ein Pudel, an den Beinen war es drahtig wie bei einem Terrier. Die Färbung war eine unansehnliche Mischung aus schwarz, grau und braun. Dazu standen seine Augen vor, als würde ihm jemand die Eier quetschen, wobei ein Blick genügte, um zu sehen, dass er keine hatte. Der Hund war eine Hündin.
    Sara stand auf und versuchte, sich den Schmutz vom Rock zu klopfen. Die Erde hier in Alabama schien eine ganz andere Konsistenz zu haben als der Lehm in Georgia. Sie würde den Rock einweichen müssen, um ihn wieder sauber zu bekommen.
    Ein Mann pfiff bewundernd, und Sara wurde rot, bis sie begriff, dass der Mann nicht sie meinte.
    Er trug eine Einkaufstüte im Arm und klopfte sich ans Bein. «Tiggy! Komm her, Mädchen.» Als der Hund nicht von Saras Seite wich, kam der Mann gutmütig lachend die Auffahrt herauf. Vor Sara blieb er stehen, musterte sie und pfiff durch die Zähne. «Süße, wenn du von den Zeugen Jehovas bist, bin ich bereit zu konvertieren.»
    Jetzt flog die Haustür auf, und eine dunkelhaarige Frau in Saras Alter kam heraus. «Hör nicht auf den Trottel», sagte sie zu Sara, doch sie betrachtete sie ihrerseits mit weniger Wohlwollen, als der Mann gezeigt hatte. «Sara, richtig?»
    «Mhm», murmelte Sara. «Richtig.»
    «Ich bin Darnell, aber alle nennen mich Nell. Und der da ist mein Mann Jerry.»
    «Nenn mich Possum», sagte er und tippte sich an die orangeblaue Baseballkappe.
    Verwirrt stotterte Sara: «Sehr erfreut.»
    «Ma’am», Possum tippte sich noch einmal an die Mütze, dann ging er ins Haus.
    Nell ließ den Hund herein, nicht aber Sara.

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