Schattenblume
Fuß schmerzte nach dem spontanen Dauerlauf gestern Abend, sie musste wohl in eine Scherbe getreten sein. Auf dem Weg zum Highway würde sie sich Pflaster besorgen.
Nell lächelte müde, als Sara in die Küche humpelte. «Die Kinder schlafen noch ’ne Stunde.»
Sara versuchte höflich zu sein. «Wie alt sind sie?»
«Jared ist zehn, Jennifer zehn Monate jünger.»
Sara zog die Brauen hoch.
«Keine Sorge, sobald Jen draußen war, hab ich mich sofort sterilisieren lassen.» Nell nahm eine Tasse aus dem Schrank. «Schwarz?» Sara nickte. «Jen ist die schlauere von beiden. Sag das nicht zu Jared, aber in der Schule ist Jen jetzt schon ein Jahr weiter. Er ist selbst schuld – er ist nicht auf den Kopf gefallen, aber er interessiert sich eben mehr für Sport als für Bücher. Jungen in dem Alter können einfach nicht still sitzen. Aber das kennst du ja von deinem Job.» Sie stellte Sara die Tasse hin und schenkte ein. «Schätze, wenn du mal heiratest, willst du einen ganzen Stall voll Kinder.»
Sara starrte in den dampfenden Kaffee. «Ich kann keine Kinder bekommen.»
«Oh», sagte Nell. «Da bin ich ja mal wieder ins Fettnäpfchen getreten. Ist mein Hobby.»
«Schon gut.»
Nell setzte sich mit einem tiefen Seufzer an den Küchentisch. «Mein Gott, ich und meine Neugier. Wenigstens damit hat meine Mutter Recht.»
Sara zwang sich zu einem Lächeln. «Schon gut, wirklich.»
«Ich werd dich nicht löchern», bohrte Nell weiter, um klarzustellen, dass sie für freiwillige Geständnisse offen war.
«Bauchhöhlenschwangerschaft», erklärte Sara, mehr sagte sie nicht.
«Weiß Jeffrey davon?»
Sie schüttelte den Kopf.
«Du kannst welche adoptieren.»
«Sagt meine Mutter auch immer», sagte Sara, und zum ersten Mal sprach sie den Grund aus, warum sie der Gedanke an Adoption abschreckte. «Ich weiß, es klingt schrecklich, aber ich kümmere mich den ganzen Tag um die Kinder anderer Leute. Wenn ich nach Hause komme …»
«Mir brauchst du nichts zu erklären», sagte Nell. Sie nahm Saras Hand und drückte sie. «Und Jeffrey macht es bestimmt nichts aus.»
Sara biss sich auf die Lippe, und Nell quittierte es mit einem tiefen Seufzer.
«Oje. Überraschen tut’s mich nicht, aber ich hätte euch gewünscht, dass es ein bisschen länger hält.»
«Tut mir Leid.»
«Vergiss es.» Nell klopfte sich auf den Schenkel, dann stand sie auf. «Ich mag dich trotzdem. Außerdem hat Jeffrey auch mal einen Dämpfer verdient. Glaub mir, es ist das erste gottverdammte Mal, dass
er
sitzen gelassen wird.»
Sara blickte wieder in ihre Kaffeetasse.
«Willst du Pfannkuchen?»
«Ich habe keinen großen Hunger», sagte Sara, doch ihr Magen knurrte.
«Ich auch nicht.» Nell holte die Pfanne heraus. «Drei oder vier?»
«Vier.»
Nell stellte die Pfanne auf den Herd und begann den Teig anzurühren. Sara sah zu und dachte dabei an ihre Mutter, der sie Tausende von Malen beim Pfannkuchenmachen zugesehen hatte. Es war tröstlich, hier in der Küchezu sitzen, und Sara spürte, wie die Albträume der letzten Nacht verblassten.
«Der blöde Nachbar», sagte Nell und winkte freundlich, als ein Mann am Fenster vorbeiging. Eine Autotür wurde zugeschlagen, dann ging der Motor an. «Jedes Wochenende verbringt er mit so einem Flittchen, das er in Birmingham aufgegabelt hat. Jetzt schau dir das an», sie sah nach, ob Sara auch aufpasste. «Kaum dass er weg ist, fangen die Hunde wie wild zu bellen an und hören nicht auf, bis er abends um zehn heimkommt.» Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und verrenkte sich den Hals, um in den Nachbargarten zu sehen. «Ich hab ihm schon tausendmal gesagt, dass die armen Viecher eine Hütte brauchen. Possum wollte ihm sogar eine bauen. Gott, wie die Armen im Regen jaulen.»
Wie aufs Stichwort begannen die Hunde zu bellen. Um guten Willen zu zeigen, fragte Sara: «Sie haben keine Hundehütte?»
Nell schüttelte den Kopf. «Nein. Früher musste er immer heimkommen, wenn sie mal wieder über den Zaun gesprungen waren. Dann hat er sie einfach angekettet. Ich kann die Uhr danach stellen, wann sie ihren Wassernapf umwerfen, und jeden Morgen muss ich rüber und ihnen frisches Wasser geben.» Sie reichte Sara einen Eierkarton und eine Schüssel. «Hier, mach dich nützlich.» Dann fuhr sie fort: «Und dabei sind Boxer so hässlich. Nicht mal auf die süße Art. Und wie sie einen voll sabbern. Ich komm jedes Mal zurück wie aus der Dusche.»
Sara schlug die Eier in die Schüssel. Sie hörte nicht mehr zu,
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