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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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sondern ließ sich von Nells Geplapper einlullen. Sie dachte an Jeffrey und versuchte Logik in die Vorfälle der letzten Nacht zu bringen. Sara wusste, dass es ihregrößte Schwäche, aber auch ihre größte Stärke war, die Dinge schwarz oder weiß zu sehen. Doch jetzt sah sie zum ersten Mal in ihrem Leben nur ein graues Gemisch. Gestern Nacht war sie müde und durcheinander gewesen. Hatte sie die Schmauchspur wirklich gesehen? Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr kam sie zu der Überzeugung, dass sie es sich eingebildet haben musste. Nur ihr Bauchgefühl blieb bei dem ersten Eindruck. Und warum hatte Robert nicht gewollt, dass sie sich die Wunde ansah, wenn er nichts zu verbergen hatte?
    «Sara?», fragte Nell. Anscheinend hatte sie etwas gefragt.
    «Entschuldige», sagte Sara. «Wie bitte?»
    «Ich hab gefragt, ob Robert den Typ kannte.»
    Sara schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht, sonst hätte er was gesagt.»
    «Es ist noch nichts in der Zeitung. Wir haben hier nur ’ne Wochenzeitung, und die erscheint erst am Sonntag. Aber heute Morgen hab ich auf der Straße gehört, dass es Luke Swan ist. Der Name wird dir nichts sagen, aber er war bei uns auf der Schule. Hat ein paar Häuser weiter gewohnt.» Sie zeigte in Richtung Garten. «Possum ist in diesem Haus zur Welt gekommen, und ich bin gegenüber aufgewachsen – hab ich dir das erzählt?» Sara schüttelte den Kopf. «Wir sind nach dem Tod seiner Mutter hier eingezogen. Ich konnte die Frau nicht ausstehen» – sie klopfte dreimal auf den Schrank unter der Spüle   –, «aber es war nett von ihr, dass sie uns das Haus vermacht hat. Ich dachte, Possums Bruder würde einen Aufstand machen, aber am Ende ist alles gut gegangen.» Sie holte Luft. «Was wollte ich gerade sagen?»
    «Luke.»
    «Ach ja.» Sie drehte sich wieder zum Herd. «Er hat um die Ecke gewohnt, bis sein Vater arbeitslos wurde, dann sind sie in die Nähe der Schule gezogen. Er war bei uns nicht gerade beliebt.»
    Sara ahnte, dass sie mit «bei uns» die Schönen und die Sportskanonen der Highschool meinte. Auf Saras Schule hatte es die gleichen Cliquen gegeben. Sara hatte zwar nicht dazugehört, aber zumindest hatte man sie respektiert.
    Nell fuhr fort. «Man sagt, er hatte ordentlich was auf dem Kerbholz, aber was heißt das schon? Die Leute behaupten alles Mögliche, wenn einer stirbt. Du müsstest mal Possum hören, wenn er über seine Mutter redet – als wär sie Mary Poppins gewesen, dabei ist die Frau ihr Leben lang keinen Tag fröhlich gewesen. Irgendwie war sie genau wie Jessie.» Nell goss Teig für vier kleine Pfannkuchen auf die Pfannkuchenplatte. «Ich hab gehört, dass Jessie bei ihrer Mama ist.»
    «Ja», bestätigte Sara.
    «Liebe Zeit», murmelte Nell und nahm Sara die Schüssel mit den Eiern ab. Sie verrührte sie mit einer Gabel, dann kippte sie sie in eine Pfanne. Auch wenn Sara an einer der strengsten medizinischen Fakultäten des Landes ihren Abschluss gemacht und zu den besten ihres Jahrgangs gehört hatte, fühlte sie sich in Gegenwart von Frauen, die kochen konnten, immer minderwertig. Dass erste und letzte Mal, dass sie einen Freund bekocht hatte, hatte damit geendet, dass sie zwei Töpfe und den Mülleimer wegschmeißen musste.
    Nell sagte: «Meine Beziehung zu Jessie ist ein ewiges Auf und Ab. Vielleicht, weil Robert und Possum uns zwingen, die ganze Zeit zusammenzuhocken, und einfach erwarten, dass wir uns prächtig verstehen. Meistens geht esgut, aber manchmal würd ich ihr am liebsten eine knallen, damit sie zur Besinnung kommt.» Sie ließ die Gabel über der Pfanne abtropfen und legte sie auf einer Serviette ab. «Aber jetzt tut sie mir einfach nur Leid.»
    «Schlimme Sache.»
    Mit einem Bratenwender drehte Nell die Pfannkuchen um. «Bobby ist ein echter Schatz, aber bei Männern weiß man nie, was man hat, bis man daheim ist und sie aus der Packung nimmt. Vielleicht schmatzt er beim Essen. Als Possum vor ein paar Jahren damit anfing, hab ich ihm mit dem Baseballschläger gedroht.» Sie lud die Pfannkuchen und etwas Rührei auf einen Teller und stellte ihn Sara hin. «Speck?»
    «Nein, danke.»
    Nell nahm drei Streifen gebratenen Speck und legte sie auf Saras Teller. «Ich hab sie nie leiden können. Bis vor ein paar Monaten. Da hatte sie eine Fehlgeburt. Ich bin jeden Tag bei ihr gewesen, damit sie keine Dummheiten macht. Die beiden sind daran fast zerbrochen. Seit ich sie kenne, wollte Jessie ein Kind. Schon in der Mittelstufe. Doch sie hat nie eins

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