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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Sechzehnjährigen, der gerade fahren lernte; jedes Mal wenn Jeffrey den ersten Gang einlegen wollte, würgte er den Motor ab.
    Als er Herd’s Gap hinter sich ließ, wusste er nicht wohin. Sara war wahrscheinlich noch im Bestattungsinstitut mit dem Skelett beschäftigt. Hoss war auf dem Revier und sperrte Robert ein. Jeffrey hätte nach Hause fahren können, doch über Mittag war seine Mutter meistens da, und das Letzte, was er jetzt brauchte, war der Anblick, wie sie sich mit billigem Wodka stärkte, bevor sie zur zweiten Schicht im Krankenhaus antrat. Eine Alkoholikerin am Tag war genug.
    Jeffrey war auf dem Weg zu Nell, die wahrscheinlich schon von Roberts Verhaftung wusste, als ihm Possum einfiel. So war es immer gewesen: An Possum dachten sie immer als Letztes. Anders als Robert, der mit Jeffrey in der Footballmannschaft war und seinen eigenen Fanclub hatte, war Possum das fünfte Rad am Wagen, ein Puffer, dervon seinen zwei konkurrierenden Freunden mitgeschleppt wurde. Possum lachte über ihre Witze und notierte den Punktestand zwischen ihnen. Nicht dass er dabei immer vollkommen selbstlos gewesen wäre. Manchmal hatte er Glück und konnte sich den einen oder anderen Krumen schnappen, den Jeffrey oder Robert fallen ließen.
    Auch Nell war eine von Jeffreys Verflossenen. Damals war Jeffrey froh gewesen, sie loszuwerden. Schon als Teenager hatte Nell genau gewusst, wo es langging, und mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg gehalten. Dass es dabei meistens um Jeffreys Fehler ging, war das Hauptproblem ihrer Beziehung. Ihre unverblümte Art, ihn zu kritisieren, konnte ziemlich ekelhaft sein. Wäre sie nicht eins der wenigen anständigen Mädchen der Schule gewesen, die einen ranließen, hätte er sie nach dem ersten Date abserviert.
    Jeffrey liebte Herausforderungen, doch bei Nell war er an seine Grenzen gestoßen. Am Ende musste er zugeben, dass Possum besser zu ihr passte – ihm machte es nichts aus, bevormundet zu werden, und er konnte mit Kritik umgehen. Und doch war Jeffrey überrascht gewesen, als sie nur einen Monat nachdem er nach Auburn gegangen war, geheiratet hatte. Er hatte sich gefragt, ob da schon etwas hinter seinem Rücken gelaufen war. Doch neun Monate später verstand er, was los war. Irgendwie lag ihm die Sache heute noch im Magen, doch der Gerechtigkeit halber musste er zugeben, dass er es war, der die Beziehung mit Nell auf Eis gelegt hatte, als er wegzog. Allerdings hatte er gedacht, sie würde ihm ein bisschen hinterhertrauern und nicht gleich mit seinem zweitbesten Freund ins Bett springen.
    Jeffrey zwang den Truck in den zweiten Gang und bog auf den Parkplatz vor Possums Laden ein. Es war immernoch die gleiche heruntergekommene Kaschemme mit verschlissenen Flaggen der Auburn University zu beiden Seiten der Tür. Im Schaufenster warben Schilder für kaltes Bier und Köderfisch, die beiden wichtigsten Waren, die ein Laden auf dem Land führen musste.
    Die Türglocke klingelte laut, als Jeffrey eintrat. Die Holzdielen unter seinen Füßen quietschten, wahrscheinlich stammten sie noch aus der Zeit der Wirtschaftskrise. In den Ritzen sammelte sich der Staub von sechzig Jahren.
    Jeffrey ging ohne zu zögern hinter den Tresen und nahm sich ein Sixpack Budweiser aus dem Kühlschrank. Dann holte er noch ein zweites Sixpack aus dem Regal.
    «Hallo?», rief Jeffrey und stellte das Bier auf den Tresen. Die Registrierkasse war ein altes Modell, das kinderleicht aufzubrechen war, daneben stand ein Wechselgeldautomat mit mindestens hundert Dollar Kleingeld. Typisch Possum, dass er sich auf die Ehrlichkeit der Leute verließ.
    «Possum», rief Jeffrey und nahm sich ein Bier aus der Packung. Ein Coca-Cola-Öffner lag auf dem Tresen. Das Bier war bitter. Jeffrey stürzte es runter und versuchte seine Geschmacksknospen zu umgehen. Dann sah er sich die Fotos an, die Possum am Zigarettenregal aufgehängt hatte. Wie bei Robert stammten eine Menge der Fotos noch aus Highschool-Tagen. Doch anders als bei Robert gab es hier außerdem eine Menge Fotos von Kindern in verschiedenen Altersstufen. Jennifer entwickelte sich von einem in Decken gehüllten Bündel zu einem frühreifen Mädchen. Jared wuchs von einem nuckelnden Säugling zu einem schlaksigen Halbwüchsigen heran. Jeffrey schätzte, dass er ungefähr neun sein musste, und konnte sich gut in das Kind hineinversetzen. Damals waren seine Arme undBeine viel zu lang gewesen, wie bei einem Fohlen, das gerade laufen lernte. Jared hatte Nells schwarzes Haar und

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