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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Jeffrey, vor allem, weil Possum sonst nie etwas in Zweifel zog. «Nein», sagte er. «Ver dammt , ich weiß es nicht.»
    «Scheiße», sagte Possum.
    Jeffrey griff nach dem nächsten Bier, doch Possum hielt seine Hand fest und sagte: «Mach mal halblang.»
    «Ich hab schon eine Mama.»
    «Und die ist ein verdammt guter Grund, dass du halblang machst.»
    Jeffrey verlor die Beherrschung. Er holte aus und schlug Possum ins Gesicht. Possum war zu weit entfernt, doch der Schlag hatte noch genug Wucht, dass er rückwärts taumelte und gegen den Tresor fiel.
    «Au!», rief Possum. Er betastete seinen Mund und sah das Blut auf seinen Fingern. «Jesus, Slick, du hast mir fast einen Zahn ausgeschlagen.»
    Jeffrey hob wieder die Faust, doch der Ausdruck in Possums Augen hielt ihn zurück. Possum würde sich nicht wehren. Er wehrte sich nie. Er wurde nie wütend, und er stellte nie in Frage, was Jeffrey tat.
    Jeffrey griff in die Tasche und zog ein paar Zehner für das Bier heraus.
    «Nein», sagte Possum und schob das Geld zurück, während ihm das Blut übers Kinn rann. «Vergiss es.»
    «Ich zahle für mein Bier», versetzte Jeffrey und warf das Geld auf den Tresen. Dann nahm er die restlichen Flaschen und das zweite Sixpack.
    «Hör zu, Slick, ich kann dich fahren   –»
    «Leck mich am Arsch», sagte Jeffrey und stieß Possum weg.
    Doch Possum lief ihm bis zur Tür nach. «In deinem Zustand solltest du nicht fahren.»
    «In welchem Zustand?», rief Jeffrey und riss die Beifahrertür von Roberts Truck auf. Er stellte das Bier auf den Sitz, dann lief er um die Motorhaube herum. Er stolperteüber ein Schlagloch und hielt sich an der Kühlerhaube fest.
    Possum flehte: «Jeffrey, lass es sein.»
    Als Jeffrey hinter das Lenkrad kletterte, verschwamm alles vor seinen Augen, als stünde die ganze Welt auf dem Kopf. Er drehte den Zündschlüssel, und der Truck begann tröstlich zu schnurren. Als Jeffrey vom Parkplatz bretterte, riss er im letzten Moment das Lenkrad herum, um nicht die Zapfsäulen umzumähen.

KAPITEL SECHZEHN
    14.50   Uhr
     
    M olly stieg auf den Beifahrersitz des Krankenwagens und musterte Lena von oben bis unten. «Ein engeres Hemd gab’s wohl nicht?»
    «Ich kann es nicht ändern.» Sie wusste, dass Molly die Situation nur auflockern wollte, aber Lena schaffte es nicht mitzuspielen. Sie hatte feuchte Hände, und ihre Nerven, sonst stark wie Drahtseile, lagen blank. Wenn Lena erst einmal im Gebäude drin war, würde sie wieder funktionieren. Sie konnte mit ihren Ängsten umgehen, sobald sie sich ihnen stellte. Wenn die Show losging, würde sie ihren Mann stehen. Doch bis es so weit war, hatte sie Lampenfieber.
    Molly holte tief Luft. Als sie wieder ausatmete, sackte sie in sich zusammen wie ein Luftballon. Dann nahm sie das Stethoskop, das sie um den Hals trug, in beide Hände. «Also gut. Ich bin bereit.»
    Lena versuchte, den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken, doch ihre Hand zitterte zu stark. Nach mehreren Versuchen kam ihr Molly zu Hilfe. «Da.»
    «Das kommt von den Narben», sagte Lena, als der Wagen ansprang. «Nervenschaden.»
    «Haben Sie öfter Probleme damit?»
    Lena gab Gas und spürte das Vibrieren des Motors unter ihrem Fuß. «Nein», sagte sie. «Manchmal.»
    «Haben Sie Krankengymnastik gemacht?»
    Lena verstand zwar nicht, was diese alberne Unterhaltung sollte, doch das Gequatsche war irgendwie beruhigend. «Ungefähr drei Monate», erklärte sie. «Paraffinbä der , Tennisball kneten, Stifte in Löcher stecken.»
    «Geschicklichkeitstraining.» Molly starrte auf die Straße.
    «Ja», sagte Lena. Vom Grant County Medical Center zum Polizeirevier waren es keine dreihundert Meter, doch je näher sie kamen, desto weiter schien es in die Ferne zu rücken. Lena hatte das Gefühl, dass sie durch einen Tunnel in ein schwarzes Loch fuhren.
    «Ich musste so was für mein Knie machen», sagte Molly. «Ich hab es mir verdreht, als ich meinen Kleinen die Treppe raufgejagt habe.»
    «Sie haben zwei Kinder?»
    «Zwei Jungs», erklärte Molly mit leisem Stolz.
    Lena steuerte den Notarztwagen über eine Metallplatte, die ein Schlagloch abdeckte. In dem schweren Fahrzeug war von den Straßenschäden kaum etwas zu spüren. Sie fragte sich, ob auch in ihr ein Kind heranwuchs, und wenn ja, ob es ein Mädchen und ein Junge war. Was wäre, wenn sie es bekäme? Wenn sie Ethan heiratete, wäre sie ihm ein für alle Mal ausgeliefert.
    Molly sagte: «Zwillinge.»
    «Ach du Scheiße», sagte Lena. Zwillinge.

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