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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Einundsechzig Tage, seit Uliman Thayrin die Halsketten der Fürsten belebt und zu magischen Würgeschlingen gemacht hatte. Nur zwei Fürsten hat ten das Massaker überlebt: Binhipar Nihirdi, der die Kette durch schiere Kraft gesprengt und danach die Flucht ergriffen hatte; und Baniter Geneder, dessen Kette dem Zauber widerstanden hatte. Unwillkürlich fuhr Baniters Hand zur Kehle; er glaubte noch die kalten Glieder der Kette auf seiner Haut zu spüren - doch nein, sie war fort, man hatte sie ihm gleich nach der Gefangennahme abgenommen. Die Fürstenkette der Geneder, das Erbstück seiner Familie, welches vor ihm sein Vater Gadon getragen hatte, und vor Gadon …
    »… niemand«, flüsterte Baniter in die Nacht. Die Kette war eine Fälschung gewesen, und sein Großvater Norgon der letzte Geneder, der die wahre Kette getragen hatte. Nach Norgons gescheitertem Staatsstreich war sie an Hamalov Lomis weitergereicht worden, dem Nutznießer des tiefen Falls der Geneder. Nicht nur das halbe Fürstentum war in Hamalovs Besitz übergegangen, sondern auch das alte Erbstück - eine zusätzliche Demütigung für Baniters Familie. Denn die zehn Ketten der Gründer galten als Sinnbild des Silbernen Kreises. Durch ihre Magie hatten die Gründer einst ihre Gedanken geteilt und sich über weite Entfernungen verständigen können. Silberne Ketten, um die Einheit des Silbernen Kreises zu festigen, das Symbol des Widerstandes gegen die nördlichen Königreiche … und als man Baniters Großvater die Kette abgenommen hatte, war dies dem Ausschluß der Geneder aus dem Silbernen Kreis gleichgekommen. Welche Ironie, daß die Ketten nun ihren Trägern zum Verhängnis geworden waren, während ausgerechnet ein Geneder dank einer Fälschung das Attentat überlebt hatte.
    Letzten Endes ist Hamalov Lomis der Raub meines Fürstentums nicht allzugut bekommen,
dachte Baniter.
Wer den Hals nicht voll genug bekommt, erstickt in seiner Gier.
Doch er war weit entfernt davon, Häme zu empfinden. Zu gräßlich war der Tod der Fürsten gewesen; selbst seinem alten Feind Scorutar Suant hatte er ein solches Ende nicht gewünscht. Der Kaiser hatte gezeigt, was sich hinter der Maske des harmlosen Kindes verbarg. Um so erstaunlicher war es, daß er Baniter am Leben gelassen hatte. Der Fürst blieb Ulimans Gefangener, eingesperrt in Gendor, dem Stammsitz seiner Familie. Der Turmsaal, in dem Norgon Geneder einst Umsturzpläne geschmiedet hatte, war seine Gefängniszelle. Hier saß Baniter, krank vor Sorge um seine Frau, von der er seit einundsechzig Tagen nichts mehr gehört hatte. Er wußte nicht, ob Jundala noch lebte, ob sie aus Vara geflohen oder selbst in Gefangenschaft geraten war. Und seine drei Töchter - waren sie in Sicherheit? Befanden sich Sinsala, Banja und Marisa noch im sicheren Ganata, oder hatte man sie nach Vara verschleppt? Die Ungewißheit: sie setzte Baniter am schwersten zu.
    Ein Plätschern riß ihn aus den Gedanken. Seine Augen suchten den See ab, und er erkannte die Umrisse eines Bootes, das sich aus dem westwärts gelegenen Tunnel schob. Baniter vernahm das Geräusch eintauchender Stangen, mit denen die Bootsführer den Kahn voranstießen. Es mußten Kahnleute sein; die Staker, eine Gemeinschaft verschworener Zulieferer, welche auf Varas Kanälen umherkreuzten. Man sagte den Stakern eine Nähe zur Halbwelt nach. Nicht selten beförderten sie Waren zweifelhafter Herkunft, und ihr Wissen um unterirdische Wassertunnel und vergessene Kanalarme machte sie verdächtig.
    Das Boot steuerte die Insel an. Die Staker zogen ihre Stangen aus dem Wasser und bremsten die Fahrt. Nun erst konnte Baniter ihre Schemen ausmachen; er zählte fünf Personen. Eine von ihnen sprang an Land - eine Frau, wie Baniter aufgrund der zierlichen Gestalt vermutete. Die Kahnleute stießen das Boot eilig vom Ufer ab, als wären sie froh, den Fahrgast losgeworden zu sein.
    Eine seltsame Stunde, um Gendor einen Besuch abzustatten.
Offenbar handelte es sich um das Liebchen eines Wachpostens; einer der Gardisten löste sich aus dem Schatten des Turms und schritt auf sie zu. Ein kurzer Wortwechsel, dann begleitete er die Frau zum Eingang.
    Plötzlich erkannte Baniter die Besucherin. Obgleich das Gesicht unter einer Kapuze verborgen war, verriet sie ihr tänzelnder Gang, ihre selbstsicheren Gesten.
Sinustre Cascodi!
Die geheime Stimme der Bürgerschaft Varas, jene raffinierte Strippenzieherin, die in der Halle der Bittersüßen Stunden die einflußreichen Bürger der Stadt um

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