Schattenbrut (German Edition)
ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen. Stellte sich Paulas engelsgleiches Gesicht vor, sah sie, wie sie sich an ihren Vater schmiegte, als müsse er sie vor Billy und ihrer Mutter beschützen.
»Eigentlich gibt es da nicht viel zu erzählen«, begann sie schließlich. »Es war genauso, wie es hier auf dem Papier steht. Paula und ich haben unsere Eltern miteinander verkuppelt. Wir beide wollten das, verstehen Sie? Nur hat Paula plötzlich gemerkt, dass sie ihren Vater nicht teilen will.
Wolfgang war ein toller Mann. Jemand, wie man ihn gerne selbst als Vater hätte. Oder als Partner.«
Billy dachte an Ursula. Niemals zuvor und auch nie mehr danach hatte sie ihre Mutter so strahlend erlebt. Und niemandem hatte sie dieses Glück mehr gegönnt als ihr.
»Was für uns ein spannendes Spiel war, wurde für unsere Eltern ernst. Sie waren verliebt. Nicht nur meine Mutter, auch Wolfgang war verliebt.« Hitze stieg in Billys Kopf. »Und das hat Paula nicht gepasst. Sicher hätte sie mich gerne als Schwester gehabt, und sicher hätte sie gerne mit mir und meiner Mutter wie eine richtige Familie zusammengelebt. Aber in dem Moment, als Wolfgang meiner Mutter ein Stück seiner Zuneigung geschenkt hat, da begriff Paula, dass diese Situation sie von ihrem Thron gestoßen hätte, auf dem sie bei ihrem Vater saß.
Zuerst hat sie alles versucht, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sobald er meiner Mutter zu nahe kam, und wenn es nicht funktionierte, dann war sie wütend auf mich. Sir hat nicht mehr mit mir gesprochen. Auf unseren Spaziergängen hielt sie nur noch die Hand ihres Vaters. Irgendwann wurde Paula raffinierter. Sie hat begonnen, schlechte Noten zu schreiben und klagte ständig über Kopfschmerzen. Die Lehrerin empfahl Wolfgang, mit ihr einen Arzt aufzusuchen.« Billy schnaubte verächtlich. »Der Arzt hat nach psychischen Ursachen für Paulas Probleme gesucht. Und die waren natürlich schnell gefunden. Paula konnte ihrem Vater weismachen, dass sie so sehr unter seiner Beziehung zu Ursula litt, dass sie davon krank wurde. Wolfgang hat mit meiner Mutter darüber gesprochen und die beiden haben es für das Beste gehalten, sich zu trennen.«
Sie biss die Zähne aufeinander, als sie an Ursula dachte, die versucht hatte, Billy nichts von ihrem Kummer merken zu lassen. Aber Billy hatte ihre geschwollenen Augen gesehen, ihren leeren Blick, mit dem sie aus dem Fenster starrte, wann immer sie sich unbeobachtet gefühlt hatte.
»Und das haben Sie Paula nicht verziehen«, stellte Wenberg fest.
»Nein, damals nicht. Aber ihr Triumph war für Paula nicht genug. Sie hat überall in der Schule erzählt, wie dumm meine Mutter war zu glauben, dass ein Mann wie Wolfgang sich in sie verlieben könnte. Sie hat ihren Freundinnen gesagt, dass Wolfgang in Wahrheit nie verliebt war. Sie sagte, er hätte nur Mitleid mit ihr gehabt.« Billy kratzte mit den Fingern grob über ihre Jeans. »Meine Mutter hat von diesen fiesen Gerüchten gehört. Und sie können sich vorstellen, wie es ihr dabei gegangen ist.
Sie hat nie ein schlechtes Wort über Wolfgang und Paula verloren. Sie hat überhaupt nie wieder darüber gesprochen. Ich glaube, dass sie bis heute an Wolfgang denkt.« Billy wunderte sich, welche Wut die alte Geschichte noch immer in ihr auslöste.
»Und das ist der Punkt, an dem aus Ihnen Feinde wurden?«
»Ja.« Billy lachte auf, aber es war kein fröhliches Lachen. »Sie hat versucht, mir das Leben schwer zu machen, und ich habe mich gewehrt.«
»Wie haben Sie sich gewehrt?«
»Es waren Kindereien. Ich habe versucht, die Klassenkameraden auf meine Seite zu ziehen, so wie Paula es vorher getan hatte. Paula verzauberte alle Erwachsenen, aber bei den Mitschülern war ich einfach beliebter.« Billy spürte einen albernen Triumph und erschrak gleichzeitig über ihre Worte. Verdammt, sie benahm sich wie ein Kind.
»Wen haben Sie denn auf ihre Seite gezogen?«
»Mädchen, die sich mit Paula angefreundet haben, später auch Jungs.« Sie zögerte, und die Kommissarin schien ihre Reaktion als Scham zu interpretieren.
»Solch ein Verhalten ist völlig normal. Was glauben Sie, was ich früher getan habe, um meine Konkurrentinnen auszustechen.« Sie lächelte, und Billy grinste schwach zurück.
»Und haben Sie irgendwann Ihr Kriegsbeil begraben?«
»Nein. Wir haben uns erst aus den Augen verloren, als ich damals nach Emmendingen zog, und bis dahin loderte der Kampf.«
»Und Frau Puhlmann war auf Ihrer Seite«, sagte
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