Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
durchs Bild. ‚Ferry Terminal/Heliport/ South St Seaport‘ stand darauf. Die Strömung trieb es ins Landesinnere, der weiße Pfeil wies in die falsche Richtung. Aber den Fährhafen gab es ohnehin nicht mehr – hatte den nicht ein Buckelwal gerammt? Nicholas konnte die Meldungen kaum noch ausein anderhalten. Dafür wusste er genau, was in dem Vi deo nun geschah: Eine Welle schwappte aus einer Nebenstraße, überspülte den Wagen und plötzlich war nur noch eine Frau zu sehen, die kniend auf dem glitschigen Autodach ums Gleichgewicht rang und schrie. Joana hielt sich die Ohren zu, obwohl sie den Ton abgeschaltet hatte.
Das Bild wechselte. Man sah weitere überflutete Straßenzüge. Menschen, die auf Dächern standen und den Rettern in ihren Hubschraubern und Schnellboo ten winkten. Ein Mann, der mit seinem zu einem Paket verschnürten Hund über Seile in einen Heli ge hoben wurde. Ein nicht übel gelaunter Indianer in einem Kajak, der die Washington Street hochpaddelte und mit einem Netz einsammelte, was ihm noch nütz lich erschien. Weinende Männer. Weinende Frauen. Weinende Kinder. Die obligatorische amerikanische Flagge, wie sie als Höhepunkt des Grauens in den Wassermassen versank.
Ein Ticker gab die Information durch, dass das Wasser inzwischen unter Kontrolle war und zurück ging.
Diese Idioten. Ein Fingerschnippen des Leviathans würde die Behauptung Lügen strafen.
Wieder wechselte das Bild, nun erschienen in kurzen Sequenzen die Gesichter wichtiger Männer und Frau en der Politik, die, obwohl kein Ton zu hören war, definitiv ihren Unmut kundtaten . Nicholas seufzte. Offenbar schwieg der amerikanische Präsident noch immer zu den Drohungen, die er geäußert hatte. Ob aus Zwang des Luzifers heraus oder weil er sich nicht erklären konnte, wie diese Worte über seine Lippen gekommen waren, wusste Nicholas nicht. Er hätte sich einerseits gern eingeredet, dass es ihm nur recht sein konnte . Wenn der Luzifer und der Leviathan mit sich und ihrem Streit beschäftigt waren, verschaffte das Joana und ihm die Zeit, die sie brauchten. Ande rerseits wusste er zu gut, dass die Folgen dieses Disputs zu weitreichend waren und sich auf die ganze Welt vernichtend auswirken konnten. Sein Egoismus mochte gewaltig sein, aber er hatte Grenzen, wie Nicholas erstmalig erkannte. Sein kleiner Taschenspie lertrick durfte kein Armageddon auslösen, so viel stand fest. Dummerweise waren uralte Fürsten durch aus in der Lage, einen Weltuntergang heraufzube schwören und nicht immer hatten sie genug Gehirn zellen über die Jahrtausende gerettet, um einzusehen, wo sie die Grenzen überschritten. Weder der Luzifer noch der Leviathan waren dumm, aber die lange Zeit, die sie über Hochmut und Neid geherrscht hatten, hatte diesen Schwächen zu viel Macht verliehen. Kei ner von beiden würde jetzt noch nachgeben, dazu hatte sich ihre Kriegslust zu lange angestaut. Die Lunte brannte an beiden Enden.
Vielleicht war es doch keine so gute Idee, sich um den Fürstenthron zu bewerben. Als Fürst über den Leichtsinn würde er sicher nicht besonders alt wer den. Andererseits … scheiß drauf.
Wie bezeichnend, dass er, als er erstmals die Gren zen seines Egoismus erkannte, nur eine einzige Chan ce hatte: Grenzenlosen Egoismus vorzugaukeln, um die Zeit zu bekommen, die nötig war, um den einzi gen Weg zu gehen, der noch aus der Misere führte.
Er fühlte sich an die Speculara erinnert und wie sie ihn im Kampf in sein eigenes Gesicht hatte sehen lassen.
Mary trat aus ihrem Schlafzimmer, er nickte ihr zu und mied ihren Blick. Joanas Mutter war eine seltsame Frau. In den Tiefen ihrer dunklen Augen lag ein Geheimnis versteckt; eine finstere Wahrheit. Er hielt den Augenkontakt zu Mary knapp, auch wenn sie ihm das sicher als Unhöflichkeit oder, schlimmer noch, als Unsicherheit auslegte.
„Wir sollten uns überlegen, wohin wir fahren“, sagte Mary, „und ob es überhaupt sinnvoll ist, weiter zufahren. Wir können nur darauf hoffen, dass dieser Demjan die Fürsten findet und ihnen die Nachricht überbringt. Warten können wir auch hier.“
Joana wandte erstmals den Blick vom Fernseher ab. Ihre Lidränder waren dunkelrot, als hätte sie stunden lang geweint, was nicht der Fall war. „Ich möchte hier weg“, sagte sie leise und machte damit laut klar, dass sie mehr meinte als nur das Motel. Dass sie hier fort wollte, war kein Wunder, hatte sie doch das halbe Badezimmer kurz und klein geschlagen. Er hatte einen Anflug von Stolz verspürt,
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