Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
kannst das Grübeln wieder aufhören, denn wir kennen uns nicht.“
„Was wollen Sie dann von mir?“
„Dir ein bisschen Angst machen.“ Er grinste, aber das zog seine Aussage überhaupt nicht ins Humor volle. „Mehr aber auch nicht, keine Sorge.“
„I.. ihre L…logik hat was“, stotterte Annie.
Der Mann sah zu der Frau rüber und lächelte, und obwohl ihr Blick auf dem Reader in ihrem Schoß blieb, zuckten auch ihre Lippen. „Das hab ich schon mal gehört“, sagte er. „Nein, du musst wirklich keine Angst haben. Diesmal nicht. Du hast es möglicher weise vergessen, aber du hast einem Freund von mir mal viel bedeutet. Er bat mich, mal nach dir zu sehen.“
Tief in ihren Erinnerungen bewegten sich plötzlich dunkle Kulissen. Da war etwas, ja … Etwas mit einer ganz ähnlichen Ausstrahlung wie dieser Daddy. „Ein Freund, sagen Sie?“
„Elias“, erwiderte der Mann und im gleichen Augenblick entstieg eine Gestalt der Dunkelheit in Annies Innerem und sie wusste, wen er meinte.
„Ich erinnere mich.“ Sie konnte plötzlich nur noch flüstern. Das Wesen, was sie so lange für eine Ausge burt ihrer Fantasie gehalten hatte, nahm in ihrem Kopf so saubere Konturen an, dass sie es hätte abzeichnen können. Verdammt, das sollte sie tun! „Er hat mich gerettet, nicht wahr? Der Arzt meinte, ich hätte einen Schock, weil ich gesehen habe, wie dieser Kinderschänder getötet wurde, und würde mir etwas einbilden. Aber ich war mir damals sicher, dass dieser Elias …“ Moment. Das konnte sie diesem Wildfrem den nicht wirklich erzählen wollen. Sie war als kleines Mädchen haarscharf an der Kinderpsychiatrie vorbei geschlittert – wollte sie gleich wieder für verrückt erklärt werden? Doch irgendeine vergessene innere Stimme murmelte: Hab Vertrauen. Nick wird dir glauben.
Und so sagte sie: „Er war ein Engel, nicht wahr?“
Der Mann lächelte. Ehe er etwas sagen konnte, kam das Mädchen angelaufen. Aus der Nähe sah es aus, als wäre es eine Abkürzung durch die Hecke gekrochen. Seine Knie waren ebenso blutig wie ihre und über Nase und Wange zog sich ein verschorfte r Striemen, der aussah, als hätte die Kleine einen Fahrradsturz klassisch mit dem Gesicht abgebremst. Im wildlocki gen Haar klebten Kletten und kleine Zweige.
„Papá!“, rief sie mit einem erstaunlichen Organ für einen so zarten kleinen Körper. „Ich möchte noch ein Eis haben, Papá, lass uns noch ein Eis kaufen gehen.“ Scheinbar spielend leicht war die Kleine ins Portugie sische gewechselt, was Annie verstand, da ihre Familie seit Jahren eine brasilianische Haushaltshilfe hatte.
Der Mann zog eine Braue hoch. „Du hattest schon eins, wenn mich nicht alles täuscht. Was sagt Mama?“
„Mama sagt ja!“
„Ich sagte, morgen wieder!“, rief die dunkelhäutige Frau , ohne von ihrem Reader aufzusehen. „Das ist ein Unterschied.“
Das Mädchen strahlte seinen Papá an. „Dreck. Oder?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte es sich blitzschnell Annie zu. „Wer ist das, Papá?“ Die dunkelblauen Augen des Kindes bekamen ein Fun keln, das Annie seltsam erschien. Fast … unheimlich. Hungrig. So blickten einen keine kleinen Vorschul mädchen an. So sahen Männer ihre Frauen an. Oder Raubtiere ihre Beute.
Mann, was war los mit ihr, das war doch bloß ein kleines, wildes Mädchen.
„Eine Freundin“, sagte der Mann sehr betont, als wäre es wichtig. „Eine gute Freundin von Elias.“
Nur mit Blicken schienen die beiden ein kurzes Zwiegespräch zu führen. Dann zuckte das Mädchen mit den Achseln, hockte sich hin und widmete seine ganze Aufmerksamkeit einem Marienkäfer auf dem Boden, den es mit dem Zeigefinger ärgerte.
Unvermittelt wandte sich der Mann wieder Annie zu. „Du hattest recht. Elias war ein Engel, ja.“
Lass mich raten, Mister, du bist auch einer, dachte Annie , und obwohl sie wirklich versuchte, sarkastisch zu denken, gelang ihr das nicht. Doch als hätte er ihren Gedanken gelauscht, hob er beide Hände.
„Glaub bloß nicht, ich wäre von seinem Schlag. Ich bin etwas anderes. Und dankbar dafür.“
„Sie irr t en sich eben“, sagte Annie und fuhr fort , als er fragend den Blick hob. Fragend … als erhoffte er sich A ntworten von ihr. Er, der Mann von vielleicht Mitte Vierzig, von ihr, einem jungen Mädchen. Sie hatte sich noch nie in ihrem Leben so erwachsen gefühlt. „Sie sagten, Elias war ein Engel.“
Er nickte und lächelte dabei. Es wirkte ein wenig müde. Das Blag schlief bestimmt nicht
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