Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
Mutter Löcher in die Luft starren oder stundenlang durch Berlin streifen und darauf hoffen, er würde irgendwann überheblich grinsend um eine Ecke biegen. Sie musste etwas tun, verdammt.
Aber was? Ja, das war die E ine -Million-Euro-Frage, auf die auch die Joker keine Antwort hatten. Er kann überall sein, hatte Demjan ihr gesagt. Überall. Die Welt war so verdammt groß. Ihre Augen brannten, aus Erfahrung wusste Joana, dass nun die Horrorsze narien von barbarischer Folter und der dämonischen Variante von Rache ihren Kopf fluten würden. Bilder, vor denen sie sich nicht schützen konnte. Der nächste Weinkrampf war dann nicht weit entfernt. Wütend stemmte sie sich gegen das Unvermeidliche und grub sich die Fingernägel in die Handflächen, um sich mit Schmerz abzulenken. Als ihr Mobiltelefon summte, schrak sie zusammen.
Mary hielt über ihrer Tastatur inne und sah zu ihr herüber. „Wer ist es?“
Joanas Herz donnerte. Ihre neue Handynummer kannten nur eine Handvoll Leute und so musste sie erst mal Luft holen, ehe sie es wagte, auf das Display zu schauen. „Tomte.“ Sie tippte den Bildschirm an. „Hallo Tomte, was gibt es Neues?“
Tomtes chronologisch eigenwillig geordneten Berichterstattungen zu folgen, war nicht ganz einfach, zumal er zwischendurch immer wieder von seiner Hella erzählte. Sie gab sich die größte Mühe, nach sichtig und geduldig mit dem Halbdämon zu sein, doch heute fiel es ihr besonders schwer. Als sie das Telefonat beendete, stand ihr Schweiß auf der Stirn, ihre Finger waren um den Kugelschreiber und den Notizblock verkrampft und vom häufigen Luftan halten, um Tomte nicht anzuschnauzen, endlich zum Punkt zu kommen, war ihr schwindlig.
„Joana! Jesus, sag schon, was hat Tomte herausge funden?“
Sie starrte auf den Block, auf ihre zitterige Schrift. „Eine Adresse. Der Leviathan ist wirklich noch in Russland, wie Nicholas im Winter herausgefunden hat. Ich fliege nach Moskau.“
„Was?“ Marys Teetasse kippte um und das heiße Gebräu ergoss sich über ihrem Schreibtisch und rann unter die Tastatur. „Du? Du fliegst nach Moskau?“
„Wer sonst?“ In Gedanken packte Joana bereits zu sammen. Wie schnell sie wohl einen Flug bekam?
„Ich dachte, dafür engagierst du Tomte! Joana – ich bitte dich! Das ist ein Dämonenfürst.“
„Tomte wird mich begleiten“, sagte Joana, als könn t e der harmlose Sköggandi ihr im Ernstfall hel fen. „Es geht nicht anders, Mama. Nicholas ist an den Leviathan gebunden. Wenn ihn jemand finden kann, dann ist das dieser verfluchte Fürst.“
Mary zog eine sarkastische Grimasse. „Der wird dir gern behilflich sein.“
„Er wird!“, presste Joana durch die Zähne. „Und wenn ich ihn bannen muss.“
„Herrgott, Joana, sei doch vernünftig! Denk an dein Kind.“
„Ich denke an nichts anderes!“, entfuhr es ihr. „Ich werde es nicht ohne ihn bekommen! Es ist ein Dämo nenkind, Mama, ich kann es nicht allein großziehen. Nein, mach den Mund zu und spar dir dein Aber. Weißt du, wie Dämonen geboren werden? Ich weiß es nicht, ich habe keinen Schimmer. Bist du sicher, dass ich die Geburt überlebe? Hast du Aliens nicht gese hen? Weißt du, ob es ähnlich abläuft? Ich brauche Nicholas und verdammt noch mal, ich spüre, dass er mich auch braucht. Nichts weiß ich so sicher, wie das.“ Erst als etwas Feuchtes an ihrem Hals h in ab rann , merkte Joana, dass sie weinte. „Ich will ihn zurückhaben.“
Mary ließ die Schultern hängen. „Um jeden Preis?“
„Um absolut jeden.“
Mamas Seufzen war lautlos aber abgrundtief. „Dann reiß dich zusammen. Und geh packen. Ich rufe beim Flughafen an.“
Joana war sicher, dass sie für den Fall der Fälle auch Kontakte in die russische Clerica-Szene knüpfte, wenn es auch nur eine entfernte Großcousine eines Freundes einer Bekannten von Frederik in Russland gab. Sie ließ sie gewähren. Möglicherweise brauchte sie jede Hilfe, die sie bekommen konnte, und da Mama vorsichtig war, vertraute sie ihr. Mama hatte in den letzten Monaten und Jahren so oft vertrauensvoll abgewartet und den Dingen ihren Lauf gelassen, dass sich Joana manchmal fragte, warum sie nicht ein bisschen von dieser anormal ausgeprägten Geduld geerbt hatte. Nicht, dass sie ebenso fatalistisch sein wollte und sich über drei Jahrzehnte nach den Pro phezeiungen einer Dämonenfreundin richten würde. Aber ein wenig mehr Vertrauen ins Schicksal hätte sie gern für sich beansprucht.
„Weißt du eigentlich noch mehr über
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