Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
verspotten und mit Essen für weitere Demüti gungen am Leben zu erhalten, da ließ er alle Beherr schung fallen. Der Nybbas fraß seine eigenen Emo tionen, verschlang seine Angst, bis er fast daran erstickte , und explodierte schier in ihm aus neu ge wonnener Kraft.
Er glaubte, in einem Inferno zu verbrennen, aber er hörte, wie sein Körper zu Boden klatsche – und er war nicht in ihm. Er war nicht länger Fleisch und Blut, er war Angst und Gier und Zorn und … ja, er war sogar ein kleines bisschen Freude.
Er stürmte wie ein Hurrikan über Lillian hinweg, fegte eine Katze, die bei ihr gewesen war, quer durch den Flur, ließ ein Fester in tausend gläserne Brillanten bersten … und dann wurde er eins mit dem Himmel, Wind und warmem Regen. Es wischte allen Schmerz davon.
Der Nybbas war frei.
Ziellos schoss er in die Höhe. Zunächst nichts wie weg! Die Euphorie der wiedergewonnen en Freiheit überwältigte jedes andere Gefühl; es gab keine Zwei fel, keine Bedenken und keine Sorgen mehr. Er war frei, konnte es etwas Wichtigeres geben? Er wollte zu Joana – er musste! Nichts gab er mehr auf frühere Pläne. Er war frei und alles, was jetzt noch wichtig war, war sie.
Eine Weile ließ er sich vom Wind herumwirbeln, erlaubte, dass Böen ihn in Fetzen rissen und wieder zusammenfügten, genoss jeden Regentropfen, der durch ihn hindurchrann . Ganz langsam wurde er sich seiner Umgebung bewusst. Über ihm glitzerten tau send Sterne. Unter ihm teilten dünne, rechteckige Raster aus Licht die Dunkelheit. Er erkannte Straßen zwischen Hochhausbergen und in weiß und rot pul sierende Straßen, in denen das Leben in die Stadt rann und an anderen Stellen wieder aus ihr hinaus. Nicht weit entfernt starteten und landeten Flugzeuge, eines nach dem anderen, wie auf Schnüre gezogene Perlen. Weniger beleuchtete Punkte dort, wo Flüsse und eine Hafenbucht zu vermuten waren. Auf der anderen Seite der Stadt wurde es langsam dunkler. Wo konnte Joana sein? Es war zunächst nur eine Ahnung, die ihn dazu brachte, sich in die Richtung zu halten, aus der er das Meer roch, und dann der instinktive Gedanke an den Leviathan. Der Fürst hatte tausend Augen im Meer.
Er warf sich herum, jagte dem Geruch von Wasser, Salz und etwas Diesel nach. Den Drang, tiefer zu flie gen, näher an den Menschen, bekämpfte er. Sein Hunger glühte wie gleißende Kohlen in jeder Faser seines Schattenkörpers und ließ ihn danach brennen, Gestalt anzunehmen und Gefühle zu stehlen. Es würde nicht dabei bleiben; er spürte, wie die Schatten seiner Reißzähne sich verdichteten, beinah materia lisierten, um sich in weiches Fleisch zu graben. Wenn er es zuließ, eine menschliche Witterung aufzuneh men, würde er sich nicht mehr zurückhalten können, und wenn er erst jagte, machte ihn das in seinem geschwächten Zustand unkonzentriert und angreifbar. Der Luzifer würde ihn nicht einfach ziehen lassen. Er war in diesem Spiel die Beute. Es galt , Ruhe zu bewahren, den Hunger zu ertragen und schnellst möglich das Weite zu suchen. Er konnte sich später stärken. Danach Joana sehen. Sehen, dass es ihr gut ging. Und dann war es Zeit, zurückzukehren. Denn Flucht schob das Problem nur auf. Der Luzifer würde ihn finden. Seine einzige reelle Chance bestand darin, umzudrehen und zurückzuschlagen.
~*~
Die Dame hatte eine Weile reglos und mit geschlos senen Augen in ihrem Lehnstuhl gesessen. Ihr Gesicht wirkte so entspannt, dass sich Joana insge heim fragte, ob sie einen Unterschied bemerken würde, wenn sie hier und jetzt einfach wegstarb. Selbst die Motten in ihrem Haar verharrten still. Die kniende Haltung auf dem Boden war mehr als unan genehm, die knisternde Tschaikowski-Schallplatte ging ihr seit einer gefühlten Stunde an die Nerven, bewies aber, dass so viel Zeit nicht vergangen sein konnte.
Warum dauerte das so lange? Ihre Mutter und Tom te schmorten vor der Villa sicher vor Sorge im eige nen Saft. Jetzt fehlte nur noch, dass die beiden mit einem Regiment Clerica das Haus stürmten.
Joana räusperte sich, aber es folgte keine Reaktion der Dame. Hatte der Leviathan den Körper unbe merkt verlassen?
Endlich öffnete die Dame die Augen, starrte für ein paar Atemzüge wie blind ins Leere und verzog dann grübelnd das Gesicht. „Das ist nicht gut“, murmelte sie und Joana biss sich auf die Lippe, um sich nicht wieder durch ungeduldige Bemerkungen in Schwierig keiten zu bringen. Was zum Geier bedeutete ‚nicht gut‘?
Die Dame stand auf und
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