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Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Titel: Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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dem ersten Zusammenstoß mit Banditen hatte sich auch in anderer Hinsicht ein Fortschritt ergeben, der Aydrian oft zu denken gab. Zum ersten Mal hatte sein Schwert Blut geleckt. Menschenblut. Er hatte getötet, und das war keine Kleinigkeit. Obwohl er nur schwerlich eine Bande hätte finden können, die diese harte Form der Gerechtigkeit mehr verdient gehabt hätte, belastete der Akt des Tötens den Jungen noch sehr lange – einmal war Aydrian sogar kurz davor, das Schwert wieder über Rumpars Kamin zu hängen und sein Leben als Bauer oder Jäger zu fristen.
    Der Kampf in seinem Innern zwischen Übereifer und Gewissensbissen zog sich über mehrere Wochen hin und machte Aydrian schwer zu schaffen. Und wieder war es das Orakel, das ihm darüber hinweghalf, das ihm zu der Erkenntnis verhalf, dass ein Held in einer oft brutalen und gewalttätigen Welt nur auf diese Weise bestehen konnte. Erst nachdem er sich Klarheit über seine Gefühle verschafft hatte, als er endlich akzeptieren konnte, richtig gehandelt zu haben, und begriff, dass der Kampf ein unvermeidlicher Teil seines Lebensweges und die Sterblichkeit für jeden Menschen ein Aspekt seines Menschseins war, konnte er frei und unbeschwert auf diesen Kampf zurückblicken.
    Dieses Akzeptieren, dass er die Ursache für den Tod anderer sein konnte, sollte sich noch als folgenschwerste Auswirkung des Kampfes gegen die Banditen herausstellen …
     
    Als Marcalo De’Unnero am nördlichen Himmel die ersten Vorboten des Winters ausmachen konnte, war ihm dieser Anblick alles andere als willkommen. Denn Winter, das bedeutete, dass er noch häufiger hinter verschlossenen Türen hocken und noch mehr Zeit mit den geistlosen Bewohnern dieses armseligen, winzigen Dorfes verbringen musste. Jeden Tag gingen sie mit einem blöd-zufriedenen Lächeln im Gesicht ihrer Arbeit nach und taten auch noch so, als sei dies eine besondere Leistung.
    Man hackte Holz, verbrannte es, hackte noch ein bisschen mehr.
    Man kochte sich etwas zu essen, aß es auf, kochte sich die nächste Mahlzeit.
    In De’Unneros Augen kam dies einer Tretmühle gleich, in der man sich Stunde um Stunde, Tag für Tag abrackerte. Nein, entschied er, eigentlich war ihm sogar ein noch schlimmeres Los beschieden, denn das Treten hätte wenigstens noch seine Ausdauer verbessert, hätte wenigstens noch einen Nutzen, wäre wenigstens noch ein Schritt voran auf dem Weg zu persönlicher Entwicklung und Erkenntnis.
    Wie viele Jahre fristete er jetzt schon dieses jämmerliche Bauernleben – nein, Leben konnte man es eigentlich gar nicht nennen!
    Eines Morgens stand er draußen im kalten, nassen Regen und reparierte mit drei anderen ein Dach. Die Konstruktion war schlicht und die Reparatur dementsprechend einfach. Zweifellos würde dieses Dach, wie alle anderen auch, wieder und wieder repariert werden müssen, bis er genau wie all die anderen Dorfbewohner an Altersschwäche starb. Anschließend durften dann selbstverständlich deren Kinder und andere, jüngere Siedler die Dächer reparieren, und immer so weiter – stets mit demselben blöden Lächeln im Gesicht, einem aus dem einfältigen Glauben erwachsenen Lächeln, dass man mit der Sicherung des nackten Überlebens etwas Erhabenes und Wundervolles leistete.
    »Ich bin dazu verdammt, intelligent auf die Welt gekommen zu sein«, murmelte er so laut, dass der neben ihm arbeitende Mann es hörte. Der Dörfler schaute De’Unnero kurz fragend an, reagierte aber, von einem vollkommen leeren Gesichtsausdruck abgesehen, nicht weiter darauf.
    »Und das«, sagte ihm De’Unnero auf den Kopf zu, »ist aus deinem Mund die absolut perfekte Antwort.«
    Mit einem frustrierten Brummen schleuderte De’Unnero den Hammer quer über den kleinen Hofplatz, wo er mit einem schlangengleichen Rascheln unter die Haufen gefallenen Laubes schlitterte.
    »He, den Hammer findest du nie im Leben wieder!«, rief einer der anderen, der sich für den Vorarbeiter hielt.
    »Und wenn schon, dann machen wir eben einen neuen«, fauchte De’Unnero ihn an. »Und sollte der auch kaputtgehen, stellen wir wieder einen her und kommen uns noch toller vor.«
    »Was redest du da für einen Unsinn?«, fuhr ihn der Mann schroff an.
    »Wer die Wahrheit erkennt, ist dazu verdammt …«, setzte er zu einer Erwiderung an, begann schließlich zu stammeln und sah sich mit den Armen rudernd um. »Dazu verdammt … hierzu verdammt!«, rief er, sprang von der niedrigen Dachkante herunter und lief quer über den kleinen Hofplatz

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