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Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Titel: Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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ihn sah, so tat sie nichts, das auch zu zeigen –, fiel ihm auf, dass ihre Augen glasig waren, so als wandle sie geradewegs durch einen Traum.
    »Brynn?«, rief er, doch die frisch gesalbte Hüterin ging unbeirrt weiter.
    Aydrian sah ihr einen Augenblick lang nach, dann wusste er Bescheid. Schlagartig begriff der Junge ohne den geringsten Zweifel, dass Brynn, seine einzige menschliche Freundin, die einzige Person in ganz Andur’Blough Inninness, die wenigstens entfernt mit ihm verwandt war, das Elfental noch in dieser Nacht verlassen würde.
    Er wollte ihr hinterher, doch dort, zwischen ihm und ihr, stand Juraviel, ein schlankes Schwert in der Hand und mit einem Ausdruck im Gesicht, der Aydrian keinen Augenblick daran zweifeln ließ, dass er das Schwert auch gegen ihn benutzen würde.
    »Sie geht fort«, sagte Aydrian leise.
    »Genau wie ich«, erwiderte Juraviel. »Noch heute Nacht. Wir brechen in die Südlande auf, mein junger Aydrian, zu einem Ort, wo ein unbarmherziger Wind unablässig das Gras beugt. Brynn Dharielle und Belli’mar Juraviel verabschieden sich noch heute Nacht aus der Geschichte des Aydrian Wyndon.«
    »Werde ich Euch jemals … ich meine … warum hat mir niemand davon erzählt?«, stammelte Aydrian.
    »Weil es für das, was Lady Dasslerond mit dir vorhat, nicht von Belang ist«, antwortete Juraviel. »Deine Unbesonnenheit heute Abend bleibt unter uns. Und jetzt mach, dass du in dein Bett zurückkommst, damit Lady Dasslerond niemals erfährt, dass du etwas gesehen hast, was du nicht hättest sehen dürfen.«
    Aydrian, völlig überwältigt, starrte ihn ausdruckslos an.
    »Nun geh schon!«, drängte ihn Juraviel, und noch bevor er recht wusste, was er tat, rannte Aydrian über die Waldwege zu seinem kleinen Nachtlager unter einem schützenden Zweig in den Randbezirken von Caer’alfar zurück.
    Er war gerade erst losgelaufen, als Lady Dasslerond vom Rand der Böschung herunterkletterte und ihm hinterherblickte. Sie stellte sich neben Juraviel und fuhr sich, einen sichtlich angsterfüllten Ausdruck im Gesicht, mit ihrer zarten Hand durch das dichte, goldene Haar.
    »Als ich ihn zwang, in sein Herz zu blicken, hat er die Wahrheit nicht abgestritten«, meinte Juraviel.
    »Was mir Angst macht, ist, dass er diese Wahrheit leugnen konnte, um die Übertretung zu begehen«, erwiderte Lady Dasslerond. »Ich fürchte, der Junge hat eine dunkle Seite.«
    Belli’mar Juraviel erwiderte nichts, und das war auch nicht nötig. Schließlich hatten sich er und all die anderen aus Caer’alfar, Lady Dasslerond eingeschlossen, in den vergangenen Wochen mehrfach über den trotzigen, dickköpfigen und beängstigend starken jungen Aydrian gewundert.
    Und auch jetzt hatte Juraviel keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn vor ihm und Brynn lag ein langer und gefahrenvoller Weg. Ihre Zeit in der Geschichte des Aydrian Wyndon war abgelaufen.
    Zumindest glaubte das Belli’mar Juraviel.

5. Intrigen zum beiderseitigen Nutzen
    Seine Züge waren ausgeprägter geworden während der letzten zehn Jahre seines Lebens, eines Lebens voller Offenbarungen und Enttäuschungen und erfüllt vom Beschreiten eines Weges, von dem er aufrichtig angenommen hatte, er würde ihn Gott näher bringen, das dann aber, dank der Erkenntnisse des Bundes von Avelyn, eine jähe und unerwartete Wendung genommen hatte. Dieser Bund, die Heilung von der Rotflecken-Pest, hatte so manche Veränderung bewirkt bei Fio Bou-raiy, dem mächtigsten Meister von St. Mere-Abelle und, nach Vater Agronguerre und Abt Olin von St. Bondabruce in Entel, vielleicht dem drittmächtigsten Mann des gesamten Abellikaner-Ordens. Fio Bou-raiy war entschieden dagegen gewesen, dass die abellikanischen Ordensbrüder ihre befestigte Abtei verließen, um der verseuchten Bevölkerung zu helfen. Er hatte sogar Bruder Francis angegriffen und bestraft, als der Mönch, unfähig die Schreie der Sterbenden vor den mächtigen Mauern von St. Mere-Abelle länger zu ertragen, einen Seelenstein zur Hand genommen, sich unter die Menge gemischt und den Menschen allen Trost, zu dem er fähig war, gespendet hatte, um schließlich sein Leben für seine ebenso mutigen wie vergeblichen Bemühungen zu opfern.
    Aber dann hatte Jilseponie Heilung durch die Hand Avelyns erfahren, des ehemaligen Ordensbruders, der bald heilig gesprochen werden würde. Eines Mannes, der in dem Ruf stand, überaus mitfühlend zu sein. Zu mitfühlend in den Augen vieler Ordensbrüder, unter ihnen auch der

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