Schattenelf - 2 - Das Turnier
Kindern, die doch einmal Könige werden sollten.«
Bei der Erwähnung ihrer Kinder schien ihr ganzer Zorn zu verfliegen. Sie stand zitternd und wie erstarrt da, während ihre Augen unruhig umherwanderten, so als suche sie nach einem Ausweg.
»Geht fort von hier«, wiederholte Jilseponie. »Und zwar weit fort, und lasst Euch im Schloss und in der Stadt nicht mehr blicken.«
Constance zitterte so heftig, dass Jilseponie schon befürchtete, sie würde einfach zusammenbrechen. »Meine Kinder«, sagte Constance, ihre Stimme kaum mehr als ein tonloses Flüstern.
»Sie dürfen auf Schloss Ursal bleiben, so dies Euer Wunsch ist«, erwiderte Jilseponie. »Oder nehmt sie mit, die Entscheidung liegt bei Euch. Habt Ihr nie bemerkt, dass ich keine Bedrohung bin, weder für Merwick und Torrence noch für ihren Anspruch auf den Thron, falls das Schicksal es so will?« Jilseponie schüttelte den Kopf und lachte hilflos. Auch für Constance war sie nie eine Bedrohung gewesen, dachte sie. Ein Teil von ihr hätte der in die Enge getriebenen Frau das in diesem Augenblick am liebsten erklärt, hätte versucht, ihr vernünftig zuzureden und zu retten, was …
Ja, was eigentlich? Schließlich war sie jetzt wirklich zu weit gegangen. Ihr Verhältnis zu Constance Pemblebury war nicht mehr zu kitten, erst recht nicht, wenn man in Betracht zog, dass sie nach wie vor keinen Hehl aus ihren Gefühlen für Danube machte. Constances Hass auf Jilseponie hatte sehr viel tiefer liegende Gründe als die Sorge um ihre Kinder. Constances Hass wurzelte in einer irrationalen und unauflösbaren Eifersucht, und da Jilseponie König Danubes aufrichtige Gefühle nicht ändern konnte, konnte sie tun und sagen, was sie wollte, das zerrüttete Verhältnis war nicht mehr zu retten. Angesichts der schieren Bosheit dieser Frau und ihrer Busenfreunde bei Hofe verspürte Jilseponie eigentlich auch nicht den Wunsch danach. Nein, abgesehen von einer öffentlichen Anklage wegen Verrats, blieb Jilseponie nur eine einzige Möglichkeit: Sie musste ihren ursprünglichen Plan weiterverfolgen.
»Es gibt zwischen uns nichts mehr zu besprechen«, sagte sie und verbat sich jede weitere Äußerung Constances mit einer Handbewegung. »Ich habe Euch vor die Wahl gestellt – Ihr müsst tun, was Ihr für am besten haltet, aber ich warne Euch noch einmal, ich bin im Besitz sämtlicher Beweise, die ich benötige, um Euch öffentlich vor Gericht verurteilen zu lassen.«
Als Constance zu einer Erwiderung ansetzen wollte, winkte sie ab, bedachte sie mit einem letzten festen Blick, machte auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür.
»Wie lange?«, vernahm sie hinter sich die mit zittriger Stimme vorgebrachte Frage.
Jilseponie drehte sich um, und bei dem Bild des Jammers, das Constance Pemblebury bot, wäre sie beinahe weich geworden.
»Wie lange habe ich noch Zeit, bis ich aufbrechen muss?«, fragte sie mit brechender Stimme.
»Morgen ist Euer letzter Tag auf Schloss Ursal; danach habt Ihr noch einen Tag Zeit, um Eure Abreise aus der Stadt zu regeln«, antwortete Jilseponie, die sehr wohl wusste, dass es Constance kaum Schwierigkeiten bereiten dürfte, sich eine Passage von einem ihrer reichen und einflussreichen Freunde zu sichern. »Und zerreißt Euch über Eure überraschende Abreise ja nicht den Mund«, warnte Jilseponie sie. »Bringt Ihr mich irgendwie damit in Verbindung, oder äußert Ihr Euch abfällig über mich, werde ich meine Beweise vorlegen und einen Prozess verlangen.«
»Hexe«, murmelte Constance, als die Königin abermals Anstalten machte zu gehen.
Jilseponie nahm die Beleidigung hin und setzte ihren Weg fort. Sie fühlte sich wohl mit ihrer großzügigen Entscheidung; trotzdem wurde sie den Verdacht nicht los, dass Constance ihr noch einmal Schwierigkeiten machen würde, wenn sie sie jetzt ihrer Wege ziehen ließ.
4. Lady Dassleronds entsetzliches Geheimnis
Da sie auf den ersten Schnee hatten warten müssen, hatte sich ihre Abreise zwangsläufig verschoben, und so saßen die drei den Winter über in Dundalis fest, was für Aydrian, De’Unnero und Sadye aber durchaus nicht nur unangenehme Seiten hatte. Die Bewohner von Dundalis behandelten sie zuvorkommend und hatten sie geradezu mit offenen Armen aufgenommen. Dundalis war seit Elbryans Kindheitstagen gewachsen, und da die Stadt an der Hauptroute zum Barbakan und zum Bund von Avelyn lag, hatte sich ihre Bevölkerung seit den Tagen der Pest nahezu verdreifacht. Trotzdem hatte sich die Einstellung der Menschen
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