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Schattenelf - 2 - Das Turnier

Schattenelf - 2 - Das Turnier

Titel: Schattenelf - 2 - Das Turnier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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überlegen gewesen wäre – was er nicht war –, hätte ich ihn vor seinem entscheidenden Hieb mit den magischen Steinen vernichtet«, beruhigte Aydrian sie. »Du glaubst, ich hätte den Chezhou-Lei unterschätzt, aber eigentlich liegt der Denkfehler bei dir. Du unterschätzt mich und meinen festen Willen, die Gipfel zu erklimmen, die du und De’Unnero mir seit unserer ersten Begegnung verlockend unter die Nase haltet. Eins versichere ich dir: Alles, was ihr plant, sind Dinge, nach denen ich schon trachtete, bevor wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Und die werde ich auch erreichen.«
    »Was wirst du erreichen?«
    »Den höchsten Gipfel, den man sich nur vorstellen kann.«
    »Und wo passe ich in deine hochfliegenden Pläne hinein?«, fragte Sadye.
    Aydrian lächelte kokett; eine andere Antwort würde sie zurzeit nicht bekommen.

8. Schein und Sein
    Alle drehten den Kopf nach ihnen um, als sie den langen, blumengesäumten Pfad zum rückwärtigen Tor von Schloss Ursal hinaufgingen.
    Wenn er diesen Pfad allein entlangging, erzürnten die verdrießlichen Blicke der Leute Roger Flinkfinger gar nicht mal so sehr. Er war es gewohnt, dass man ihn anstarrte, mit Blicken, die von Ekel über Neugier bis hin zu Entsetzen reichten. Roger war als Kind sehr krank gewesen und wäre fast gestorben, und alle, die sich um ihn kümmerten, hatten ihn mehr als einmal schon fast aufgegeben. Seine Krankheit hatte sein Wachstum so sehr beeinträchtigt, dass er gerade mal fünf Fuß maß und überaus dürr war, weswegen seine Gesichtszüge – seine Augen, Ohren, Nase und Mund – für den übrigen Kopf zu groß geraten schienen. Zeit seines Lebens hatte Roger diese Blicke über sich ergehen lassen müssen.
    Diesmal jedoch, das wusste er, steckte mehr als bloße Neugier hinter ihren unverschämten Blicken, zumal die meisten Zuschauer, vor allem die Frauen, auch gar nicht ihn im Visier hatten.
    Denn neben ihm ging Dainsey, erhobenen Hauptes zwar, aber Roger spürte die Qualen, die sie zweifellos litt. Sie war eine Bäuerin und hatte sich auf dem harten Pflaster von Palmaris durchgeschlagen, wo sie dank ihrer Gewitztheit und aller anderen ihr zu Verfügung stehenden Mittel überlebt hatte. Dainsey wusste sich in einer Gassenprügelei mit blanken Fäusten durchzusetzen und hatte sich wochenlang unter den entsetzlichsten Bedingungen vor Soldaten und Markwart treu ergebenen Mönchen versteckt. Dainsey hatte die Rotfleckenpest mit Mut und Würde überstanden, ohne dass man je ein Wort der Klage von ihr gehört hätte.
    Diese fast unmerklichen Kränkungen dagegen hatten eine viel verheerendere Wirkung auf sie.
    Die Adligen musterten sie, wie man einen durchnässten, völlig verdreckten Hund ansehen würde, der auf die Banketttafel gesprungen war. Ihre Blicke schrien geradezu »Bäuerin«, auch wenn sie nicht den Mut besaßen, es offen auszusprechen.
    Und es stimmte ja, wie Roger nur zu gut wusste. Er und Dainsey waren Bauern, trotz ihrer gehobenen Stellung, die sie den Umständen in den Wirren nach dem Krieg und der Pestepidemie zu verdanken hatten. Sicher, Jilseponie hatte sie mit eleganten Kleidern ausstaffiert, doch im Grunde wussten sie beide gar nicht, wie man diese Kleidung trug. In feinen Kleidern wirkten die beiden verloren und vielleicht sogar noch deplatzierter als sonst.
    Roger rief sich in Erinnerung, weshalb sie so früh, gleich zu Beginn des Frühlings, nach Ursal gekommen waren, sofort nachdem Straßen und Flüsse dies zugelassen hatten. Sie waren gekommen, um Pony beizustehen – nicht etwa Königin Jilseponie, sondern Pony Wyndon, ihrer lieben Freundin. Wenn er jetzt diese verzerrten Gesichter sah, diese schon von ihrer Gegenwart angewiderten Mienen, fühlte sich Roger nur darin bestätigt, wie dringend Pony gerade jetzt ihre Unterstützung nötig hatte.
    Ihr ganzes derzeitiges Leben schien in Verbitterung zu versinken. Überall in den Straßen gingen Gerüchte um, entweder sie sei untreu oder König Danube, und dass das Paar kaum noch miteinander spreche. Jedes Gasthaus in Ursal und den umliegenden Ortschaften hallte wider von derben Scherzen über die Bauernkönigin.
    All das schlug ihnen aus den Blicken dieser Menschen entgegen, die ihn jetzt musterten; am liebsten hätte Roger eine Waffe gezogen und sie niedergestreckt.
    »Wie erträgt sie das nur tagein, tagaus?«, raunte Dainsey ihm zu. »Wie hält sie bloß diese Blicke aus, ohne sich dagegen zu wehren?«
    »Wie soll sie sich denn wehren?«, lautete Rogers Gegenfrage.

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