Schattenelf - 2 - Das Turnier
Adligen abrupt aufsprangen.
Ein Knappe eilte hinaus zu dem gestürzten Herzog und nahm seinen Kopf in beide Hände. Ein Raunen ging durch die Menge, und Aydrian hörte Weinen und vereinzelte Schreie.
»Er ist tot, mein König!«, rief der Knappe, woraufhin das Wehgeschrei lauter wurde.
Aydrian ließ den Blick über die Menge schweifen; schließlich entdeckte er De’Unnero, der zu ihm hinunterblickte und anerkennend nickte. Noch nie hatte Ursal ein vergleichbares Schauspiel erlebt wie den Fall von Herzog Kalas.
Den Blick immer noch auf De’Unnero gerichtet, legte Aydrian seine Hand auf die Brust; der ehemalige Mönch verstand und deutete mit einem Nicken auf den gestürzten Ritter.
»Macht Platz!«, herrschte Aydrian den Knappen an und stieß ihn unsanft zur Seite, so dass er hinfiel. Mittlerweile hatten sich mehrere Allhearts um den Herzog geschart; Aydrian zwängte sich hindurch und kniete vor dem gefallenen Mann nieder.
»Was habt Ihr bloß für eine teuflische Magie benutzt?«, schrie einer der Allhearts ihn an.
Aydrian beachtete ihn gar nicht, sondern konzentrierte sich ganz auf den Herzog. Dicht über den Mann gebeugt, so dass der in seine Rüstung eingelassene Hämatit, der Seelenstein, Kalas’ Brustwunde verdeckte, brachte er sein Gesicht ganz nah an das des Herzogs.
»Lebe!«, befahl er und sandte seine Heilkräfte durch den Stein nach außen. »Lebe!«
Umwabert von grauen Nebelschwaden wandelte Kalas’ Geist eine lange, düstere Straße entlang. Er wusste, dass er tot war oder zumindest im Sterben lag und dass die Macht, die ihn niedergestreckt hatte, alles übertraf, was er jemals kennen gelernt hatte.
Und jetzt schwand er dahin und versank immer tiefer im düsteren, bodenlosen Schlund des Todes.
Vor seinen Augen erschien eine leuchtende Hand, die mitten in der Luft zu schweben schien; ihr warmes Licht verbrannte den grauen Nebel.
Die Hand des Todes, ging es Herzog Kalas durch den Kopf, der wusste, dass er sich dem Ruf nicht entziehen konnte, und dass er aus dem Leben geschieden war.
Er ergriff die Hand, und dann verstand er.
Tai’maqwilloq!
Die Hand fühlte sich lebendig an, gar nicht nach Tod. Er spürte, wie die Energie in seinen Geist und in seinen zerschundenen Körper zurückströmte.
Wer war dieser junge Mann, der hier angetreten war, das Turnier zu gewinnen?
Wer war der junge Mann, der ihn mit magischen Kräften bezwungen hatte, die sein Begriffsvermögen überstiegen?
Wer war dieser Mann, dieser Lebensspender, der ihm jetzt die Hand reichte, um ihn aus dem Reich der Toten zurückzuholen?
Einen Moment später fing der Herzog an zu husten und zu spucken und wurde wieder höchst lebendig.
Die Menge brach in anerkennenden Beifall aus.
Aydrian erhob sich und sah, dass ein Knappe sein Pferd eingefangen hatte und ganz in der Nähe wartete. Mit einem letzten Blick in Kalas’ Augen, der die Wahrheit über Aydrian und seine Heilkräfte zu vermitteln schien, stieg er auf das Pferd und lenkte es im Schritt vor die königliche Tribüne.
»Mir fehlen die Worte, Tai’maqwilloq!«, erklärte König Danube, als die Menge sich endlich beruhigt und der junge Sieger sich vor der Tribüne präsentiert hatte – jedoch nach wie vor, ohne seinen unglaublichen Helm abzunehmen. »Der Wimpel des Siegers gebührt Euch!« Unter dem von allen Seiten herüberschallenden Jubel warf König Danube seinen Wimpel Aydrian zu.
Der straffte sich daraufhin im Sattel und ließ die Trophäe in den Staub fallen.
»Ich bin nicht für König Danube geritten«, verkündete der junge Krieger laut und entschlossen. »Als Zeichen meines Triumphes verlange ich den Wimpel von Königin Jilseponie.«
Er sah sofort, dass er sie damit in äußerste Verlegenheit brachte und sie absolut nicht darauf vorbereitet war, seiner Bitte zu entsprechen. Minutenlang, so schien es, starrte sie ihn verwirrt und ungläubig an. Schließlich drehte sie sich um, griff nach dem Wimpel der Königin, der an der Rückenlehne ihres Stuhls hing, und warf ihn Aydrian zu.
Der junge Mann deutete eine Verbeugung an. Den Wimpel hoch erhoben, gab er Symphonie die Sporen – mittlerweile war er fest überzeugt, dass Jilseponie das Tier wiedererkannt hatte – und ritt eine Ehrenrunde um den Turnierplatz; dann sprengte er donnernd über eine der Rampen, bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge und verließ schließlich das Festgelände.
Und ließ einen wütenden Danube, einen völlig verblüfften Herzog Kalas sowie eine gleichermaßen
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