Schattenelf - 2 - Das Turnier
unternehmen. Wenn Constance Pemblebury seine Verbündete werden sollte, dann durfte sie seine Absicht nicht bemerken; sie mussten völlig unabhängig voneinander für dasselbe Ziel kämpfen, entschied er.
»Ihr wart während des Turniers nicht zugegen, wie ich mich zu erinnern meine«, sagte er in der Absicht, sie ganz behutsam auszufragen, ob sie im Besitz irgendwelcher geheimer Informationen über Herzog Kalas’ jüngste Unternehmungen war.
Constance antwortete nicht, sah ihn nicht einmal an, so dass er sich schon fragte, ob sie ihn überhaupt gehört hatte.
Er wartete noch eine Weile, wiederholte seine Frage dann, und als er immer noch keine Antwort erhielt, sagte er nur: »Dann noch einen schönen Tag, Mylady«, erhob sich von der Bank und entfernte sich, die ganze Zeit darüber nachsinnend, wie er Constances Zusammenbruch am besten nutzen konnte, um Herzog Kalas, bekanntermaßen ihr engster Freund, noch tiefer in seine Pläne einzubinden.
Den Rest des Tages verbrachte er damit, von einer der zahlreichen Zusammenkünfte im Garten zur nächsten zu schlendern; es war der private Abschluss der Festtage für die wenigen Auserwählten, aus denen Danubes Hofstaat bestand. De’Unnero verabschiedete sich höflich aus jeder Unterhaltung, die ihm im Hinblick auf seine speziellen Interessen bedeutungslos erschien, an allen Gesprächen aber, die um die Ereignisse des Vortags kreisten, insbesondere wenn in ihnen die Rede davon war, dass dieser Krieger Tai’maqwilloq in irgendeiner Weise mit der Königin in Verbindung stehe und wahrscheinlich ihr geheimer Liebhaber sei, zeigte er reges Interesse.
Wie genoss Marcalo De’Unnero doch diesen Tag voller Klatsch und hinterhältigem Gerede! Er war jedoch überrascht und nicht wenig enttäuscht, als er feststellen musste, dass Herzog Kalas sich selbst dann nicht zeigte, als man den König und die Königin ankündigte und sie ihre Plätze unter den Gästen einnahmen.
Vermutlich steckte dem Führer der Allhearts seine allererste Turnierniederlage noch in den Knochen, überlegte De’Unnero.
Er verließ den Hof an diesem Abend in der festen Überzeugung, dass das Turnier ihn seinem Ziel, Missmut über Jilseponie zu schüren, einen großen Schritt näher gebracht hatte. So zufrieden ihn das stimmte, er hatte das Bedürfnis, die Dinge weiter voranzutreiben, da er, wie Aydrian auch, mit seiner Geduld allmählich am Ende war.
Er war gerade im Begriff, zum Schlosstor hinauszuschlendern, als er hinter sich jemanden rufen hörte.
»Brutus von Oredale!«, rief eine dröhnende Stimme. »So bleibt doch stehen!«
De’Unnero hielt an, drehte sich langsam um und sah, wie sich ihm ein Soldat der Allhearts mit schnellen Schritten näherte.
»Ihr seid Brutus von Oredale?«, fragte der Ritter.
De’Unnero nickte.
»Folgt mir bitte«, sagte der Soldat. »Herzog Targon Bree Kalas wünscht Euch zu sprechen.«
De’Unnero nickte abermals und begleitete den Mann bereitwillig. Er traf Kalas in einem kleinen, verborgen in einem Winkel des ersten Stockwerks des Schlosses gelegenen Arbeitszimmer. Schwere, alte Bücher in dunklen Holzregalen zu beiden Seiten eines steinernen Kamins verliehen dem Raum eine erhabene Atmosphäre. Trotz der Hitze hatte Kalas ein kleines Kaminfeuer brennen, einen einzelnen Scheit, dessen Schein ihn von hinten beleuchtete und seine innere Anspannung noch zu betonen schien. Auf dem Schreibtisch, zwischen seinen Ellbogen, lag aufgeschlagen ein Buch, das De’Unnero sofort als historische Abhandlung über eine Schlacht aus früheren Zeiten erkannte. Der ehemalige Mönch schaute von dem Buch zum Herzog, und sein Respekt vor dem Mann wuchs. Kalas war offenbar intelligent genug, seine militärischen Kenntnisse durch das Studium der Geschichte zu vertiefen.
Kalas entließ den Soldaten der Allhearts mit einem Wink und bat ihn, hinter sich die Tür zu schließen.
»Ich hatte bereits vermutet, Ihr könntet mich womöglich sprechen wollen«, sagte De’Unnero und nahm ihm gegenüber in einem bequemen Sessel Platz.
»Tai’maqwilloq«, erwiderte der Herzog ruhig.
»Nachtfalke«, sagte De’Unnero, woraufhin Kalas den Kopf hob und ihn mit einem fragenden, durchdringenden Blick ansah, denn der Name kam ihm offensichtlich bekannt vor. »So lautet die Übersetzung«, erklärte De’Unnero.
»Nachtfalke?«, wiederholte der Herzog ungläubig.
De’Unnero wechselte das Thema. Wenn überhaupt, dann wollte er behutsam auf Aydrians wahre Identität zu sprechen kommen. »Überaus
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