Schattenelf - 2 - Das Turnier
und mit Herzog Kalas verschafft hatten. Sie hatten am Hof, innerhalb des Militärs und in den südlich gelegenen Abteien des Bärenreiches, von St. Bondabruce bis hin zu St. Honce, eine nicht unbedeutende Allianz geschmiedet. Darüber hinaus hatten sie eine schlagkräftige Söldnertruppe aus Landvolk und Piraten aufstellen lassen, die bereit stand, auf ein Wort von Abt Olin hin aus einer ganzen Reihe von Orten nach Ursal zu marschieren. Sie standen dicht vor der Machtergreifung, doch noch immer fehlte ihnen das entscheidende Ereignis, das die Revolution auslösen würde.
»Ich bin das Warten langsam leid«, sagte Aydrian. »Ich bin dazu geboren, über das Bärenreich zu herrschen. Niemand sollte meine Abstammung unterschätzen, außerdem hat kein Mensch in der Geschichte unserer Art jemals eine umfassendere Ausbildung und Erziehung genossen. Ich bin dazu ausersehen zu herrschen, und das werde ich auch tun.«
De’Unnero starrte ihn fassungslos an; er war über das offene Eingeständnis bestürzt.
»Überrascht Euch das etwa?«, fragte Aydrian. »Oder überrascht es Euch, dass der Schüler plötzlich bei seiner eigenen Thronbesteigung eine Rolle spielen möchte? Ihr seht, mein Freund, wir stehen hier vor einem Problem, mit dem Ihr wohl oder übel erst einmal selbst fertig werden müsst. Ihr seht in mir eine Möglichkeit, Eure Machtposition zurückzugewinnen, und das trifft wohl auch zu. Aber deswegen bin ich noch lange keine Marionette.«
»Du solltest dein Verständnis der Situation nicht überschätzen«, warnte ihn De’Unnero.
»Das Gleiche gilt für Euch«, erwiderte Aydrian. »Ich habe die Dinge heute Abend mit Constance Pemblebury ins Rollen gebracht. Von jetzt an wird alles sehr rasch seinen Lauf nehmen, wir müssen also wachsam sein und uns bereit halten.«
»Bereit wozu?«, fragte De’Unnero.
»Bereit, uns das zu nehmen, was uns gebührt«, antwortete Aydrian. »Und das bedeutet mindestens den Thron des Bärenreiches – und für Euch die Führungsposition innerhalb der abellikanischen Kirche.«
Es war unschwer zu erkennen, dass De’Unnero darauf nichts zu erwidern wusste.
»Haltet die Augen offen, mein Freund, und seid bereit, loszuschlagen«, sagte Aydrian zu ihm. »Denn möglicherweise steht schon bald ein Thron leer, auf dem viele werden Platz nehmen wollen.«
»Nimm dich in Acht«, warnte ihn De’Unnero.
»Haltet Euch bereit«, erwiderte Aydrian mit der für ihn typischen Dreistigkeit.
15. Schachmatt
Jilseponie war nicht wenig überrascht und sofort auf der Hut, als eine Hofdame ihr die Nachricht überbrachte, Constance Pemblebury habe um ein Treffen mit ihr ersucht, und zwar bei einem gemeinsamen Nachmittagstee.
Lange saß die Königin vollkommen reglos da und starrte die Hofdame an.
»Mylady?«, fragte die Hofdame.
»Constance Pemblebury wünscht den Tee mit mir zu nehmen?«, fragte Jilseponie misstrauisch.
»Ganz recht«, antwortete die Überbringerin der Einladung. »Sie bat mich, Euch augenblicklich aufzusuchen und Eure Einwilligung in dieser Sache einzuholen. Sie konnte es gar nicht abwarten, Euch zu sehen, Mylady. So ungeduldig war sie.«
»Aber warum?«, entfuhr es Jilseponie, bevor sie überhaupt merkte, dass ihr die Worte über die Lippen kamen, denn sie hatte eigentlich nicht die Absicht, die Botin in diese Dinge einzuweihen; sie wollte keinen Außenstehenden in die schmutzigen Geschäfte des Adels hineinziehen.
»Mylady?«, wiederholte die Botin, die offenbar nicht verstand.
Jilseponie sah die Frau lächelnd an. Sie wusste ganz genau, dass sie die Bedeutung der Frage verstanden hatte und über das Durcheinander hinter den Kulissen bei Hofe bestens unterrichtet war. Diese Gewissheit ermöglichte es ihr, weiter nachzuhaken. »Und worüber wünscht Lady Constance mit mir zu sprechen?«, formulierte sie ihre Frage unverblümter. »Möchte sie irgendeine Beschwerde vorbringen? Bezüglich ihrer Kinder vielleicht?«
»Es steht mir nicht zu –«, begann die bedauernswerte, völlig verunsicherte Botin, doch Jilseponie schnitt ihr das Wort mit einer Handbewegung ab.
»Doch, tut es, wenn ich Euch um Eure Meinung bitte«, sagte die Königin. »Warum wünscht Lady Constance mich zu sprechen? So redet schon. Wie ist ihre Stimmung, wenn Ihr schon nichts über ihre Absichten wisst?«
Einen Moment lang schien die Botin verlegen, dann zeigte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Sie schien sich sehr auf diesen Tee zu freuen, Mylady«, antwortete sie. »Sie bat mich, Euch
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