Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
seine Schachzüge, jede geopferte Karawane, jede sorgfältig abgestimmte Information, die man den Informanten der Ru zugespielt hatte, waren Mittel zu diesem lang ersehnten Zweck gewesen.
»Ich kenne Ashwarawu besser als er sich selbst«, erklärte der Yatol mit kaum zu überbietendem Selbstvertrauen. »Ich weiß, welches Motiv diesen Krieger antreibt; dieses Motiv heißt Stolz, mein junger Freund, und Stolz ist die menschliche Schwäche, die sich am leichtesten erfolgreich ausnutzen lässt. O ja, er wird kommen. Und das wird sein Untergang sein. Danach wird es sehr lange dauern, bis die Ru noch einmal den Mut aufbringen, sich gegen Behren zu erheben. Schaut genau hin und lernt daraus, mein Schüler, denn höchstwahrscheinlich werdet Ihr meine Nachfolge antreten und es mit dem nächsten Ashwarawu zu tun bekommen; bedenkt nur, wie enttäuscht ich im Paradies sein würde, wenn ich auf die Erde herabblickte und Zeuge Eures Scheiterns werden müsste.«
Carwan Pestle nickte; als Grysh daraufhin erneut in schallendes Gelächter ausbrach, gestattete er sich ein breites Grinsen. Während er darüber nachdachte, was im Verlauf des Winters alles durchgesickert war – die in einer ganz bestimmten Reihenfolge und mit genau vorherbestimmten Zielen als Köder ausgesandten Karawanen; das Täuschungsmanöver mit dem Gift, das allein dazu diente, Ashwarawus Vertrauen zu stärken, sowohl in seine eigene Person als auch in seine Informanten; die Umbenennung einer unbedeutenden Siedlung aus keinem anderen Grund als dem, wie ihm jetzt dämmerte, den Wunsch Yatol Gryshs, sie zu verteidigen, nachvollziehbarer erscheinen zu lassen –, musste Carwan Pestle sich eingestehen, dass er noch viel zu lernen hatte.
Er musste an seine letzte brutale Lektion denken, unten am Flussbett im Lager der Ru, und konnte nicht verhindern, dass ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief.
Brutal, aber wirkungsvoll.
Carwan Pestle vertraute seinem Lehrer, auch wenn der Mann ihm eine Heidenangst einjagte.
»Unser Freund in Dharyan will uns offenbar provozieren«, erklärte Ashwarawu seinen Soldaten. »Offenbar weiß er nicht, wie viel stärker wir inzwischen geworden sind.«
»An Soldaten, aber auch an Entschlossenheit«, murmelte der ein gutes Stück abseits der Gruppe stehende Pagonel so leise, dass nur Brynn ihn hören konnte.
Die junge Hüterin konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen; sie hatten diese Ansprache beide schon unzählige Male gehört.
Die Rebellenschar befand sich an diesem Tag auf einer Anhöhe, von der aus man auf die ferne Vorpostensiedlung und die Soldatenkolonne hinunterblicken konnte, die soeben dort Einzug hielt. Nach Schätzungen ihrer Kundschafter belief sich die Anzahl der Soldaten auf beinahe vierhundert Mann; damit war sie annähernd doppelt so stark wie die Streitmacht, die Ashwarawu derzeit aufbieten konnte, und das, obwohl seine Truppen sich in den letzten Tagen des zur Neige gehenden Winters mehr als verdoppelt hatten.
Doch die selbstbewussten Rebellen glaubten nach wie vor, dass ein To-gai-ru-Krieger mindestens ebenso viel zählte wie drei Behreneser.
»Wir werden auf diese Herausforderung reagieren«, hörte Brynn den tapferen Rebellenführer verkünden. »Zu unseren Bedingungen und zu einem Zeitpunkt, der uns passt.«
»Glaubt Ihr, er wird uns die Siedlung attackieren lassen?«, wandte sich Brynn an Pagonel.
Der Ordensbruder zuckte mit den Achseln. »Ein solches Vorgehen halte ich nicht für klug; ich bin zwar überzeugt, dass wir gewinnen würden, wenn auch nur unter schweren Verlusten.«
Brynn sah das ganz genauso, aber da sie über Ashwarawu sprachen, konnte sie letztendlich nur vermuten, ob er zum Angriff übergehen würde oder nicht.
In dieser Nacht kampierte die Rebellentruppe oben auf der Anhöhe und schickte Spähtrupps aus, die das Dorf einkreisen sollten, während wiederum andere Reiter sich weiter östlich hielten, um an den vorher abgesprochenen Treffpunkten auf bestimmte Informanten zu treffen.
Ya Ya Dengs Nachricht traf am nächsten Morgen ein; sie bestätigte den Eindruck, den auch die Späher gewonnen hatten: Es war tatsächlich die Garnison aus Dharyan nahezu vollständig ausgerückt, um die Siedlung zu sichern.
Wieder ließ Ashwarawu seine Rebellen auf der Anhöhe zusammenkommen, die einen Blick auf die geschäftige Siedlung gewährte, und wieder saßen Brynn und Pagonel etwas abseits der eigentlichen Truppe auf ihren Pferden.
»Ihr seht besorgt aus«, bemerkte Brynn, als
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