Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
Yatol-Priester anhand fester Glaubensgrundsätze regierten und bestenfalls geringfügige Änderungen in der bestehenden Politik vornehmen würden.
Yakim Douan war froh, dass seine Gespräche über die Phase der Transzendenz Merwan Ma so beunruhigten, denn das war lediglich ein weiterer Beweis für die Verehrung, die der junge Diener seinem Chezru-Meister entgegenbrachte, eine Verehrung, so Yakims Überzeugung, die beiden helfen würde, die wenigen Tage der Verwundbarkeit zu überstehen, die sie beide zwischen Yakims Tod und seinem späteren Wiederaufstieg zu gewärtigen hatten.
Kurz darauf kehrte Merwan Ma in Begleitung mehrerer jüngerer Diener zurück; sie trugen Tabletts mit Obst und Gewürzkuchen, Servierteller und die unglaublichsten Gerätschaften sowie Krüge mit verschiedensten Saftsorten in den Händen. Rasch deckten sie den Tisch vor dem Nordfenster des kreisrunden Gemachs, von dem aus man einen spektakulären Ausblick auf die himmelwärts ragenden Berge und schneebedeckten Gipfel des Großen Gürtels hatte. Der Große Gürtel war der eindrucksvollste Gebirgszug der bekannten Welt; es gab nur wenige Pässe, und selbst dort lauerten unzählige Gefahren, Erdrutsche und Schneelawinen, große Bären und Raubkatzen sowie andere, noch weit gefährlichere Bestien. Der Blick von Yakim Douans Palast auf das Gebirge offenbarte diese Ehrfurcht gebietende Gewaltigkeit in ihrer ganzen Pracht. Dieser Ausblick, wenn das Sonnenlicht schräg auf die östlichen Hänge fiel, die weißen Kappen zum Glitzern brachte und hinter jedem Vorhang düstere, bedrohlich wirkende Schatten erzeugte, kam für die meisten Betrachter einer religiösen Erfahrung gleich. Vor allem die Yatols fühlten sich daran erinnert, dass es eine Macht gab, die größer war als alles, was sie im Reich der Menschen jemals würden erleben können. Der Ausblick hatte etwas Spirituelles und Demutgebietendes – selbst für einen Unsterblichen wie Yakim Douan.
Als sich die beiden niederließen, umschwärmten die Diener sie von allen Seiten, schenkten Säfte nach und legten Speisen vor, bis Yakim Douan sie wegwinkte und ihnen befahl, das Zimmer zu verlassen. Zwei von ihnen zögerten und starrten den Chezru-Häuptling verwirrt, geradezu ungläubig an, denn sie waren es gewöhnt, ihn während der gesamten Mahlzeit zu bedienen.
»Wir sind durchaus im Stande, uns selbst nachzuschenken«, versicherte ihnen Yakim Douan. »Und unsere Früchte selber aufzuschneiden. Und jetzt verschwindet endlich.« Er endete, indem er sie mit beiden Händen verscheuchte, woraufhin die beiden sich hastig entfernten.
Als er sich lächelnd wieder zu Merwan Ma umdrehte, merkte er, dass der junge Mann offenbar etwas sagen wollte.
»Ihr werdet während dieses Mahls ganz offen sprechen«, befahl er ihm. Merwan Ma verlagerte verlegen sein Gewicht.
Yakim verstummte, ohne jedoch mit dem Essen zu beginnen. Stattdessen saß er einfach da und musterte seinen Diener mit einem Ausdruck im Gesicht, der den jungen Mann aufforderte, frei von der Leber weg zu reden.
»Ich nehme an, Ihr wollt noch einmal über euren Tod sprechen, Stimme Gottes. Ich bin nicht gerade erpicht auf dieses Thema.«
»Wir müssen alle sterben, mein junger Freund«, erwiderte Yakim und musste insgeheim über die Ironie seiner Bemerkung schmunzeln.
»Aber Ihr seid doch noch ein junger Mann«, platzte Merwan Ma heraus und schlug sofort die Augen nieder, so als sei er trotz Yakims gegenteiliger Beteuerung überzeugt, die Grenzen der Schicklichkeit überschritten zu haben.
»In meinen Knochen spüre ich die Last und Rache jedes Jahres und jedes einzelnen Morgens«, erwiderte Yakim freundlich lächelnd, während er seine Hand auf Merwan Mas Unterarm legte, als wollte er den jungen Mann trösten.
»Das klingt, als wolltet Ihr Euch dem Alter vollkommen kampflos ergeben, Stimme Gottes.«
»Glaubt Ihr an die Offenbarung Yatols?«, fragte der Chezru-Häuptling, plötzlich ernst geworden, indem er seinem Schüler in Erinnerung rief, wer er war und ihn an sein – ihrer beider vermeintliches Lebensziel erinnerte. Die Offenbarung Yatols war die verbindende Kraft der Yatol-Religion, eine Verheißung ewigen Lebens auf der Wolke Chez, dem Ort des Paradieses. Alle Rituale und religiösen Praktiken, alle maßgeblichen Verhaltensregeln der Yatol-Religion gründeten auf diesem Versprechen.
»Aber natürlich, Stimme Gottes!«, sprudelte Merwan Ma sofort überrascht, geradezu entsetzt hervor.
»Das sollte keineswegs ein Vorwurf sein,
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