Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
Chezru-Häuptling, und offenbar nur er allein, es verstand! Zumindest nicht in diesem Leben. Aber vielleicht erwartete ihn die Erleuchtung ja auf der anderen Seite dieser düstersten aller Pforten.
Mit einem weiteren tiefen Seufzer erhob sich Merwan Ma vom Boden und setzte seinen Weg fort. Er war ohnehin bereits spät dran, und die anderen hatten sich vermutlich bereits im Saal der Ewigkeit um den heiligen Kelch versammelt, den Pokal der Chezru. Wahrscheinlich hatte Mado Waldon, der Yatol-Aufseher, bereits das heilige Messer vorbereitet und dessen ausgehöhltes Heft mit den konservierenden Ölen gefüllt; ganz sicher aber hatten die anderen in Merwan Mas Abwesenheit noch nicht mit dem Aderlass begonnen.
Yakim Douan setzte sein genüssliches Mahl vor dem Nordfenster fort, den Blick nach draußen auf die majestätischen Gipfel gerichtet. Er wusste nur zu gut, was sich in diesem Augenblick im Saal der Ewigkeit abspielte, und war sich darüber im Klaren, dass, wann immer die sieben zu diesem Ritual zusammenkamen, für seine Person und die damit verbundenen Geheimnisse allerhöchste Gefahr bestand. Mit den Jahrhunderten jedoch hatten die Befürchtungen des Chezru-Häuptlings, diesen speziellen Punkt betreffend, eindeutig an Schärfe verloren. Früher hatte er den Aderlass stets peinlich genau verfolgt, und das jahrhundertelang, seit er das Ritual selbst ins Leben gerufen hatte.
Nein, ins Leben gerufen war nicht ganz korrekt, er hatte es lediglich verändert, um sein Geheimnis noch sicherer zu hüten. Seit den Anfängen der Yatol-Religion hatte diese Gruppe Auserwählter dafür gesorgt, dass der heilige Chezru-Pokal stets mit ihrem Blut gefüllt war, hatten sie sich im Kreis um ihn herum versammelt und sich der Reihe nach das Handgelenk aufgeschnitten, bis der hohe, breite Kelch sich bis zum Eichstrich füllte. Dieses Ritual der Blutsbruderschaft sowie sein Resultat, der blutgefüllte Pokal, hatten sich für Yakim Douan als eine geradezu wundersam bindende Kraft entpuppt, denn unten im Boden des heiligen Kelches war ein einzelner Edelstein eingelassen, ein mächtiger Hämatit. Sobald Yakim sein Blut mit dem im Pokal bereits vorhandenen mischte, und zwar jeweils in der unmittelbar auf das Ritual des Aderlasses folgenden Woche, stellte er gewissermaßen eine Verbindung zu dem dort verborgenen Hämatit her, die er über große Entfernungen zu nutzen gelernt hatte. Das war ihm äußerst wichtig; nicht etwa, weil er sich des Hämatits oft bediente, sondern weil er erkannt hatte, dass er im Falle eines überraschenden Unglücksfalls – in Gestalt des Dolches eines Rivalen etwa – eine ausreichend starke Verbindung zu dem Hämatit herstellen konnte, um seinen Geist aus seiner sterblichen Hülle zu befreien.
Demzufolge bestand für Yakim nur eine wirkliche Gefahr, nämlich in dem Augenblick, da das Blut im Pokal ausgewechselt wurde; denn obwohl allen anwesenden Blutspendern gewöhnlich die Augen verbunden wurden und sie strikte Anweisung hatten, niemals in den Kelch zu schauen, konnte bereits ein einziger Blick in den nicht vollständig gefüllten Kelch größtmöglichen Verdacht erregen. Zumal die Yatols den Edelsteinen, magisch oder nicht, alles andere als wohlgesonnen waren, und der Anblick eines dieser Steine in ihrem höchsten religiösen Symbol, dem Chezru-Pokal, im Herzen eines jeden wahren Yatols eine gewisse Verstimmung auslösen würde. Edelsteine waren die Domäne der verhassten Abellikaner oben im Norden sie waren die Quelle ihrer magischen Kräfte –, und bereits seit Jahrhunderten, noch vor Yakim Douans erster Machtergreifung, hatten die Yatol-Priester die magischen Steine als Mittel zur Übertragung dämonischer Magie gebrandmarkt.
Der Anblick eines Edelsteins – noch dazu eines Hämatits, eines Seelensteins – auf dem Grund dieses hohen Kelches würde Fragen aufwerfen, die Yakim Douan lieber nicht beantworten wollte.
Nichtsdestotrotz war der Chezru-Häuptling absolut zuversichtlich, dass es niemals so weit kommen würde. In den nahezu achthundert Jahren, die er sich des magischen Hämatits insgeheim bediente, war der Blutpegel im Kelch nur ein einziges Mal auf ein verräterisches Niveau gesunken: nämlich als ein junger Yatol-Priester gestolpert war und den Inhalt versehentlich verschüttet hatte.
Und dieser unglückselige Yatol war so verwirrt und entsetzt über sein Missgeschick gewesen, dass er nicht einmal lange genug gezögert hatte, um das ganze Ausmaß dessen, was er dort gesehen hatte, zu
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