Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
bahnte sich einen Weg über den rissigen, braunen Lehm. Sie glich einem riesigen Tausendfüßler, dessen Körper aus einer endlosen Reihe von Lastkamelen und mit Planen abgedeckten Wagen bestand und dessen Beine die seitlich daneben reitenden Soldaten auf ihren hoch gewachsenen Pferden bildeten. Genau im Zentrum der mittleren Reihe, in einer prunkvoll verzierten Kutsche, saß Yatol Grysh zurückgelehnt in seinem gepolsterten Sitz und beklagte sich ohne Unterlass über die glühende Hitze, und das, obwohl er sich von mehreren Dienerinnen, ausnahmslos jungen, hübschen Mädchen, Luft zufächeln und die Stirn mit feuchten Tüchern abtupfen ließ.
»Wie mir das zuwider ist«, wiederholte er ein ums andere Mal. »Jetzt, da diese hündischen To-gai-ru ihr Unwesen treiben, lassen mir meine Pflichten überhaupt keine Verschnaufpause mehr.«
Die beiden seiner vier Dienerinnen, die mit ihrem weicheren und glatteren Haar und den mandelförmigen Augen erkennbar to-gaischer Abstammung waren, zuckten angesichts dieser Bemerkung nicht einmal mehr mit der Wimper; sie hatten sich längst an Gryshs herabwürdigendes Benehmen gewöhnt.
»Es wird die Vorpostensiedler beruhigen«, sagte Carwan Pestle, Gryshs geistlicher Berater und die sechste und letzte Person im Innern der geräumigen Kutsche. »Sie befürchten nämlich, die Diebe könnten mit jedem Tag dreister werden.«
Die Karawane hatte Jacintha kaum verlassen, um sich im Schatten südlich des Großen Gürtels ihren Weg nach Dharyan zu bahnen, der Stadt, die Yatol Grysh regierte, als Kuriere des Tempels von Yaminos in Dharyan zu ihnen gestoßen waren und sie darüber unterrichtet hatten, dass die Diebe aus der unmittelbar südwestlich von Yaminos gelegenen Corcorca-Region To-gais mittlerweile noch umtriebiger geworden waren. Das wiederum hatte unter den Vorpostensiedlern, jenen behrenesischen Auswanderern, die begonnen hatten, sich jenseits der alten Grenze zwischen Behren und To-gai niederzulassen, natürlich für Unruhe gesorgt.
Einst hatte Yatol Grysh für diese Siedlungen geworben, nicht nur in der behrenesischen Bevölkerung, sondern auch bei Chezru Douan, in der Annahme, es könnte seine Aufgabe nur erleichtern, wenn die behrenesischen Siedler nach und nach dazu übergingen, das wilde To-gai für die Zivilisation zugänglich zu machen. Mittlerweile jedoch drohte die erste Übergangsphase für den im Grunde eher faulen Mann zu einer echten Heimsuchung zu werden.
Daher hatte Grysh seine Karawane nach Süden umgelenkt und Dharyan links liegen gelassen, fest entschlossen, mit den zweihundert Soldaten seiner Eskorte in Corcorca einzurücken, ein Truppenkontingent, das auch eine Anzahl leidenschaftlicher Chezhou-Lei-Krieger umfasste. Er würde diesen Hunden eine Lektion erteilen. Obwohl die Entfernung zwischen Dharyan und dem Gebiet der To-gais, in Meilen gemessen, gar nicht so groß war, war die Reise überaus beschwerlich, denn die Wagen mussten bis zum Erreichen der höher gelegenen Regionen der to-gaischen Hochebene über eine schmale, steinige und steil ansteigende Karrenspur holpern. Die mehrere Tage währenden Unannehmlichkeiten behagten Yatol Grysh ganz und gar nicht.
Grysh lehnte sich zurück und blickte durch sein Fenster in die weite, vegetationslose Landschaft. Nach Norden hin konnte er in der Ferne die himmelwärts ragenden Gipfel jenes Gebirgszuges erkennen, die zeit seines Lebens die Kulisse seiner Heimat gebildet hatten. Er wünschte sich in diesem Moment in ihren kühlenden Schatten zurück, in den Tempel, der ihm als Palast diente, wo es Luxus gab und wohlschmeckende Speisen, ein sauberes Bad und schöne, gehorsame Frauen im Überfluss.
Nichtsdestotrotz war sich Yatol Grysh darüber im Klaren, dass es nur einen Weg gab, den Fortbestand und die Sicherheit seines wertvollen Palastes zu gewährleisten: die östlichen Gebiete To-gais mussten mit eiserner Hand regiert werden. Diese To-gai-ru mit ihren barbarischen Nomadensitten waren ihm zutiefst verhasst. Man konnte sie eigentlich kaum als Menschen ansehen.
Grysh betrachtete seine To-gai-ru-Dienerinnen mit einem lüsternen Grinsen. Ihre Frauen dagegen sagten ihm durchaus zu.
»Sind die Bewohner Douan Cals eigentlich bald mit der Errichtung ihrer Schutzmauer fertig?«, fragte er Carwan. Douan Cal, so benannt nach dem Chezru-Häuptling, war die größte und bedeutendste behrenesische Siedlung und zugleich die am häufigsten von den umherziehenden Banditen der To-gai-ru heimgesuchte.
»Sie arbeiten
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