Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
begann er, doch der Blick, den Grysh ihm entgegenschleuderte, gab ihm unmissverständlich zu verstehen, dass er im Begriff war, seine Befugnisse zu überschreiten.
Wan Atenn begann Befehle zu bellen, und kurz darauf hatte man den Gefangenen zum Rand des Lagers geschleift, mit gespreizten Armen und Beinen auf den Boden gelegt und an Handgelenken und Knöcheln festgebunden. Jedes Mal, wenn er sich loszureißen versuchte, versetzte ihm ein behrenesischer Soldat einen Fußtritt in die Rippen.
Die versammelten To-gai-ru kreischten und versuchten nach vorn zu drängen, doch Gryshs Eskorte hatte wenig Mühe, sie in Schach zu halten.
Als wieder Ruhe eingekehrt war, nickte Grysh Wan Atenn abermals zu, woraufhin der grimmige Krieger, offenbar kein Anfänger in dieser Technik, dem Feuer, das seine Gefährten soeben vorbereiteten, eine brennende Fackel entnahm. Ein anderer Soldat kam pflichtschuldig herbeigerannt und reichte ihm einen prall gefüllten Wasserschlauch.
Der, das wusste Carwan, mit Lampenöl gefüllt war. Carwan war völlig verwirrt und hilflos, konnte kaum noch atmen, geschweige denn ein Wort des Protests hervorbringen. Sein unfehlbarer Herr und Gebieter hätte ohnehin nichts davon hören wollen.
»Fragt sie noch einmal, wo die anderen sein könnten«, wies Grysh den Dolmetscher an.
Die Frau, die Augen weit aufgerissen, zögerte lange, bevor sie mit exakt denselben Worten antwortete, wenn auch in weitaus gedämpfterem Tonfall.
Grysh nickte seinem grimmigen Chezhou-Lei-Krieger zu, der sofort damit begann, den Gefangenen von Kopf bis Fuß mit Lampenöl zu überschütten.
Schließlich wandte sich der Yatol, ein Lächeln im Gesicht, selbst an die Frau. »Und nun zum allerletzten Mal«, sagte er, fast ein wenig übermütig.
Die Frau wandte den Blick ab, was Carwan ebenfalls gern getan hätte, aber nicht konnte. Er war vom Anblick seines Herrn wie gelähmt, der Wan Atenn seelenruhig zunickte, und von dem Wan Atenns, der, ohne auch nur die geringste Regung zu zeigen, nach der Fackel griff und sie an den mit Öl übergossenen Gefangenen hielt.
Carwan wusste, dass der Mann schrie, er wusste, dass die versammelten To-gai-ru schrien, aber eigentlich hörte er das alles nicht wirklich. Das Bild direkt vor seinen Augen nahm ihn voll und ganz in Anspruch, lahmte ihn mit seiner Grauenhaftigkeit, seiner schieren Unfassbarkeit.
»Sofort«, hörte er schließlich jemanden neben sich sagen und merkte, dass Yatol Grysh, der ihm winkte, er solle ihm zur Kutsche folgen, ihn wahrscheinlich schon mehrfach gerufen hatte.
Carwan wandte sich blitzschnell ab, lief zu der kleinen Treppe, half seinem Herrn hinauf, klappte den Tritt ein und sprang in die Kutsche. Er konnte es kaum erwarten, die Tür vor diesem schauderhaften Anblick zu verschließen.
»Ihr könnt tun, was immer Euch beliebt«, rief Yatol Grysh zu Wan Atenn hinüber, bevor der dem Fahrer den Befehl gab loszufahren.
Dann verließen alle den Ort des Geschehens, mit Ausnahme der zwanzig Krieger und ihres grimmigen Chezhou-Lei-Anführers. Lange, sehr lange Zeit saß Carwan Pestle in der Stille der Kutsche, fest entschlossen, sich nicht umzudrehen. Schließlich aber riskierte er doch einen flüchtigen Blick.
Das Lager selbst war nicht mehr zu sehen, es war längst hinter der leicht abfallenden Hügelkuppe verschwunden; aber mehrere Rauchfahnen stiegen in den blassen Himmel. Kein dünner, grauer Rauch wie von den Lagerfeuern, sondern schwarze, sich kräuselnde Schwaden.
Ein Schauder überlief Carwan, als er sich in seinen Sitz zurückfallen ließ und nur unter größter Mühe verhindern konnte, sich zu übergeben.
7. Tymwyvenne
Belli’mar Juraviel war ziemlich überrascht, als er die Augen aufschlug und eine fremde, fast unnatürlich wirkende Landschaft vor sich sah. Über dem Boden lag dichter Nebel, aus dem vereinzelt dunkle, moosbewachsene Flecken und schlammige Erdhügel hervorschauten. Er befand sich in einem kleinen Gehölz, die Bäume jedoch waren ausnahmslos abgestorbene, laublose Gewächse mit schwarzem Geäst, deren knorrige Stämme sich dem letzten verzweifelten, händeringenden Flehen eines dem Untergang geweihten Mannes gleich in den Himmel reckten. Zunächst vermochte der Elf keinerlei Anzeichen von Leben zu entdecken, doch dann vernahm er ein leises Stöhnen und schaffte es unter größten Anstrengungen, sich herumzuwälzen.
Dort stand, oder besser hing, Brynn, die Arme hoch über dem Kopf, die Handgelenke an einem mächtigen, abgestorbenen Ast
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