Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
ihre Gedanken zu ergründen. »Weil es Euer persönlicher Wunsch war, uns zu begleiten«, schloss er, und als sie nicht sofort widersprach, fuhr er fort: »Wir haben uns für diesen Weg entschieden, weil uns das Schicksal und die Not keine andere Wahl ließen. Es gibt keinen Grund –«
»Mein König ist sehr wohl der Meinung, dass es einen Grund gibt«, fiel Cazzira ihm ins Wort. »Ihr habt unaufgefordert unser Land betreten, Belli’mar Juraviel. Tut also bitte nicht so, als sei Eure Anwesenheit in Tymwyvenne für die Tylwyn Doc und die Tylwyn Tou vollkommen bedeutungslos. Diese Bedeutung mag sich nicht auf den ersten Blick erschließen, aber jetzt haben die beiden Völker wieder von der Existenz des jeweils anderen erfahren, und einmal geöffnet, kann diese Tür um nichts auf der Welt wieder geschlossen werden.«
»Es sei denn, ich komme unten im Süden oder auf dem Weg dorthin ums Leben.«
»Trotzdem wüssten wir noch immer von Eurer Existenz, von Caer’alfar und Andur’Blough Inninness, weshalb König Eltiraaz auch weitere Informationen einholen würde – ganz gemächlich und sobald die Zeit reif ist. Er würde Euch gern noch viele Monate, vielleicht sogar Jahre in Tymwyvenne behalten, um zu erfahren, was Ihr wirklich denkt, aber das kann er guten Gewissens – und gegen meinen ausdrücklichen Rat – natürlich nicht tun, schließlich müsst Ihr dringend in den Süden Weiterreisen.«
»Wir sind König Eltiraaz für sein Verständnis sehr dankbar.«
»Und er möchte, dass Ihr ihm Eure Dankbarkeit mit Freundschaft vergeltet«, erwiderte Cazzira. »Er hofft, dass aus unserem zufälligen Zusammentreffen mehr entsteht – sehr viel mehr –, weshalb er seine Erkundung Eures Innenlebens fortsetzen muss, und zwar mit meiner Hilfe; ich diene ihm gewissermaßen als Augen und Ohren.«
»Und was ist mit mir?«, fragte Brynn; ihr Ton verriet, dass sie sich ein wenig ausgeschlossen fühlte.
»Ihr seid noch immer am Leben und unterwegs zu Eurem Ziel«, erwiderte Cazzira kühl, ohne auch nur die Augen von Juraviel abzuwenden. »Ihr solltet froh darüber sein, Brynn Dharielle, denn das ist mehr, als die meisten Menschen von sich behaupten können, die sich in das Land der Tylwyn Doc verirren!«
Brynn seufzte und hielt es für klüger, das Thema nicht weiter zu vertiefen.
»Dann werdet Ihr König Eltiraaz also bis zum Eingang des Pfades der sternenlosen Nacht als Augen und Ohren dienen?«, fragte Juraviel.
Cazzira lachte auf, drehte sich um und deutete mit ausgestrecktem Arm auf einen dunklen Schatten am Fuß eines nahen Felsvorsprungs. »Wir stehen bereits unmittelbar davor«, erklärte sie, während sie ihren Rucksack von den Schultern gleiten ließ. Sie entknotete die Schnur, öffnete ihn, entnahm ihm drei der bläulich weiß leuchtenden Fackeln und warf jedem ihrer Begleiter eine davon zu, während sie die dritte für sich selbst behielt. »Dort, wo Euer Weg sich fortsetzt, fängt meiner erst an.«
Cazzira machte Anstalten, auf die dunkle Öffnung zuzugehen, doch Juraviel packte sie beim Arm und hielt sie zurück. Sie drehte sich um, und die beiden starrten einander abermals in die Augen.
»Das ist nicht Eure Angelegenheit«, sagte Juraviel.
»Eure etwa?«
»Allerdings, und zwar, weil Lady Dasslerond es so entschieden hat.«
»Und es ist meine, weil König Eltiraaz es so entschieden hat«, erwiderte Cazzira. »Mag sein, dass die Tylwyn Doc in den Gedanken der Tylwyn Tou, in denen der To-gai-ru oder überhaupt aller Menschen keinen Platz haben. Davon abgesehen wissen wir nicht, ob wir Euch wirklich trauen können. Genau das haben wir vor herauszufinden. Wenn es nicht anders geht, betrachtet meine Anwesenheit als Preis für Eure Freiheit, gewissermaßen als Gegenleistung Eurerseits.«
Juraviel starrte Cazzira noch eine ganze Weile in die Augen, bevor er von ihr abließ und sich mit einem etwas hilflosen Lachen geschlagen gab. Wie hätte er ihre Begleitung auch ablehnen können, nach dem überwältigenden Vertrauen, das die Doc’alfar ihm und Brynn entgegengebracht hatten?
Gleichzeitig fragte sich ein anderer Teil von ihm, warum er den Wunsch, sie zurückzuweisen, überhaupt verspürte. Müsste es nicht viel angenehmer für ihn sein, von jemandem begleitet zu werden, der seine Sicht der Welt, die der Elfen, teilte? Brynn war eine vortreffliche Begleiterin, aber sie war ein Mensch und würde bald unter ihresgleichen und bis über beide Ohren in ihre Politik und ihre Verhältnisse verstrickt sein, und
Weitere Kostenlose Bücher