Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
sie sich gerade wegen dieser Vernunft des Verstoßes gegen die Lebensgrundsätze der Doc’alfar schuldig.
Juraviel schauderte beim Gedanken an die abscheulichen Zombies; so ganz vermochte er sich mit den Methoden der Doc’alfar wirklich nicht anzufreunden. Dennoch ließ sich nicht bestreiten, dass ihrer Haltung eine gewisse Folgerichtigkeit eigen war, die zudem nicht völlig ungerechtfertigt schien.
Er sah hinüber zu Brynn, die sich zurückgelehnt hatte und offenbar jeden Moment einschlafen würde, und hakte nicht weiter nach.
Wann immer die beiden während der nächsten Woche durch Tymwyvenne schlenderten, bekamen sie die meist nur neugierigen, gelegentlich aber auch recht argwöhnischen Blicke zu spüren. Man ließ ihnen praktisch freie Hand; sie durften lediglich die Stadt nicht verlassen, da König Eltiraaz nicht mehr als unbedingt nötig über ihre genaue Lage verraten wollte.
Trotz allem war es ein angenehmes und zweifellos interessantes Erlebnis. Wieder fühlte sich Brynn in eine völlig neue Welt versetzt, die ihren ohnehin schon weiten Horizont noch erweiterte, und für Belli’mar Juraviel war es wie ein Einblick in einen anderen Zweig seiner eigenen Vergangenheit. Viele Gebräuche der Doc’alfar waren ihm vertraut, und die Melodien ihrer Lieder waren denen aus Caer’alfar so ähnlich, dass er gelegentlich sogar mitsingen konnte. Ansonsten aber war vieles anders und gerade in seiner Fremdheit faszinierend. Sein eigenes Volk lebte in Harmonie mit allem, was lebendig war, mit den Riesenbäumen und den Blumen, und ging auf in der Tier- und Pflanzenwelt von Andur’Blough Inninness. Die Doc’alfar dagegen zogen den Umgang mit bereits Abgestorbenem und Totem vor, mit gefällten Stämmen und Zombie-Sklaven. Ihre Künstler versahen die Mauern sämtlicher Gebäude mit Meisterwerken der Steinmetzkunst, ihre Waffenmeister verwandelten simple Holzstücke in fantastische Schilde und Harnische, indem sie sie mit einem dicken, moosartigen Futter auskleideten, das ihnen Sammler brachten. Manchmal erschien Juraviel ihre gleichermaßen um Zerstörung und Neuschöpfung kreisende Kultur ein wenig grobschlächtiger, im Grunde aber überwog die Faszination des Fremden und ihre ebenfalls stark ausgeprägte Harmonie mit der Natur, die jedoch weniger verspielt wirkte.
Ihre Führer während dieser Tage waren wiederum Lozan Duk und überraschenderweise auch Cazzira. Die weibliche Doc’alfar wirkte nach König Eltiraaz’ Erklärung gegenüber Juraviel und Brynn wie verwandelt, fast schien es, als wollte sie so viel wie möglich von den Fremden lernen. Ob das eher dem Wunsch nach aufrichtiger Freundschaft entsprang oder sie auf Informationen aus war, die ihr einen Vorteil gegenüber dem Feind verschafften, vermochten weder Juraviel noch Brynn zu sagen. Während Cazzira die beiden unablässig mit Fragen löcherte, ergriff Lozan Duk die Initiative und zeigte ihnen die Wahrzeichen der Stadt und besonders interessante Kunstwerke. Trotzdem war es Cazzira und nicht Lozan Duk, die Brynn eines Tages beiseite nahm und in ein Gebäude hineinzog, in dem die Frauen Tymwyvennes ihrer Schönheit mit allerlei Farben und Ölen nachhalfen und sich die Haare frisierten.
Gegen Ende der Woche waren Cazzira und Brynn beinahe unzertrennlich; Cazzira konnte gar nicht genug bekommen von Brynns Geschichten, denen sie stets gespannt lauschte, sobald die junge Hüterin zu erzählen anfing. Juraviel hielt ein ebenso strenges wie interessiertes Auge auf die beiden, da er befürchtete, Cazzira könnte versuchen, Brynn wertvolle Informationen zu entlocken, verzichtete aber darauf, Brynn vor übertriebener Offenheit zu warnen. Sie waren den Doc’alfar hier gänzlich ausgeliefert, und Juraviel und Brynn blieb nichts anderes übrig, als ihnen zu vertrauen.
Trotz aller Vorsicht glaubte Juraviel zu spüren – vielleicht war es auch nur eine kühne Hoffnung –, dass diese unerwartete Begegnung sich positiv entwickeln würde.
»Belli’mar Juraviel hatte ganz Recht mit seiner Einschätzung, dass diese Hüterin nichts mit den anderen Menschen gemein hat«, berichtete Cazzira eines Abends König Eltiraaz, nachdem sie sich Brynns Geschichte ein weiteres Mal von Anfang bis Ende angehört hatte. »Wenn die Menschen tatsächlich über diese Talente verfügen, sollten wir vielleicht keine vorschnellen –«
Eltiraaz hob die Hand, um den unbequemen Gedanken sofort zu unterbinden. »Unser Vorgehen basiert auf Besonnenheit und dient dem Fortbestand unseres
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