Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Tempels Chom Deiru mit zitternden Fingern und trockenen Lippen in die Hand. Dabei sah er sich, eingedenk des bedauerlichen Zwischenfalls, der ihn seinen geschätzten Leibdiener und Freund, Merwan Ma, gekostet hatte, mehrfach um. Nach der Abreise der Gesandten der verschiedenen Yatols hatte Douan mehrere Tage damit verbracht, bei völliger Dunkelheit dazusitzen und über das alles überschattende Problem des Drachen von To-gai zu meditieren. Er befürchtete eigentlich nicht, dass diese Frau Behren oder auch nur Jacintha überrennen könnte. Yatol Bardohs Berichten zufolge belief sich ihre Armee bestenfalls auf ungefähr zehntausend Mann; im Notfall vermochte bereits Jacintha allein das Fünffache dieser Zahl aufzubieten. Nichtsdestotrotz hatte sich die Rebellin zu einer großen Sorge für den Chezru-Häuptling entwickelt. Mit ihren Mätzchen gefährdete diese Frau die traditionell ohnehin brüchigen Bündnisse zwischen seinen Yatols, und ihre Eroberung dreier behrenesischer Städte hatte dazu geführt, dass Tausende von Flüchtlingen die Straßen bevölkerten.
Darüber hinaus hatte er ihretwegen Merwan Ma verloren, des weiteren Yatol Grysh sowie den Kaliit der Chezhou-Lei und eine große Anzahl seiner Krieger.
Und als wäre es nicht bereits schlimm genug, dass er nicht einmal mehr daran denken konnte, seine Phase der Transzendenz einzuleiten, dämmerte ihm nun auch noch, dass die Befürchtung einer Revolte unter seinen Untertanen keineswegs unbegründet war.
Diesen erschreckenden Gedanken im Sinn, betrachtete er den Kelch und wusste, dass er ein gewaltiges Risiko einging. Monatelang hatte er sich des Hämatits bedient, um seinen alternden Körper bei Kräften zu halten, und selbst während dieser kurzen Trancezustände hatte er stets befürchten müssen, ertappt zu werden. Diese Heimlichtuerei machte ihm eine Heidenangst.
Doch dann war Meister Mackaront aus Entel eingetroffen und hatte Yakim Douans Vermutung bestätigt: Auch die Abellikaner-Mönche bedienten sich gelegentlich des Hämatits, des Seelensteins, um ihre Körperhülle zu verlassen und als Geister große Entfernungen zurückzulegen. Der ehrwürdige Vater Markwart, hatte Mackaront ihm berichtet, habe es in dieser Methode zu besonders großer Meisterschaft gebracht.
Natürlich wusste Douan von der Geistwanderung; er selbst hatte sie schon gegen seine Feinde in Jacintha eingesetzt und gelegentlich auch, um auf Besuch in der Stadt weilende Yatols auszuspionieren. Er hatte sie benutzt, um Yatol Thei’a’hu zum Verrat an Yatol Bardoh zu verleiten. Dies hier jedoch ging sehr viel weiter.
Er plante, sich in dieser Nacht weit aus Jacintha forttragen zu lassen, hinaus in die offene Wüste, um dort möglicherweise den Drachen von To-gai und seine so schwer greifbare Armee aufzuspüren. Seinen neuesten Leibdiener – nie konnte er sich den Namen des Mannes merken! – hatte er bereits angewiesen, eine Kette von Signalgebern bis zu Yatol Bardoh und Shauntil einzurichten, und erklärt, er wolle um göttliche Führung ersuchen, um sie bei ihrer Suche zu unterstützen.
Jetzt musste er den Drachen von To-gai nur noch finden.
In seinem Privatgemach, hinter sicher verriegelter Tür, unternahm Yakim Douan die ersten zögernden Schritte, um in die Schwindel erregenden Tiefen des Hämatits vorzudringen. Mit Hilfe der darin enthaltenen Magie gelang es ihm, Körper und Geist voneinander zu trennen, und kurz darauf schwebte sein Geist mühelos über die Stadt hinweg zum Westtor.
Dort hielt er inne. Noch nie zuvor hatte er Jacintha auf diese Weise verlassen.
Ehe seine Selbstzweifel Überhand nehmen konnten, ließ der Chezru-Häuptling sich in die offene Wüste hinaustragen; schnell und gleichsam wie befreit schwebte sein Geist dahin. Er eilte Richtung Westen, vorbei an der Oase Dahdah, ehe er nach Süden abschwenkte, da sich der Drachen von To-gai, den jüngsten Berichten Yatol Bardohs zufolge, angeblich irgendwo östlich der Stadt Pruda befand.
Er konnte kaum glauben, welch ungeheure Entfernung er in jener Nacht auf dem direkten Weg von Dallabad nach Pruda und anschließend wieder zurück nach Nordosten, nach Jacintha, zurücklegte, trotzdem gelang es ihm nicht, irgendeinen Hinweis auf den derzeitigen Aufenthaltsort dieser Frau und ihrer Armee zu entdecken. Zu seiner ungeheuren Erleichterung stellte er bei der Rückkehr in seinen Körper fest, dass alles in Ordnung war und offenbar niemand in Chom Deiru auf den Gedanken gekommen war, in jener Nacht sei etwas
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