Schattenelf - 4 - Feuerzauber
bei dem Orakel erfolgreich«, sagte sie, und wieder schwang etwas in ihrer Stimme mit, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte, dass Pagonel sich womöglich über sie lustig machte.
»Beschäftigt es Euch so sehr, wie Ihr im Vergleich zu mir abschneidet?«, fragte sie der Mystiker. »Und wie Eure Ausbildung verglichen mit der der Jhesta Tu abschneidet?«
Brynn hielt seinem Blick stand.
»Alle Mystiker, die sich in diesem Augenblick dem Wind hingeben, sind älter als Ihr«, erklärte er. »Und ich bin wahrscheinlich sogar doppelt so alt. Für solch negative Gefühle solltet Ihr weder Eure Zeit noch Euer Temperament oder Eure Talente vergeuden, meine Liebe.«
»Habt Ihr mich etwa hergebracht, damit ich versage?«, fragte Brynn. »Um mir zu beweisen, dass ich noch viel lernen muss?«
»Als ich Euch hierher brachte, wusste ich nicht, ob Ihr versagen würdet oder nicht«, antwortete Pagonel. »Aber im Grunde spielt das keine Rolle. Ich werde Euch in den kommenden Wochen die Technik beibringen, und wenn Ihr dann wieder herkommt, werdet Ihr die Nacht vergleichsweise komfortabel überstehen und Euch zum Schutz gegen die Kälte in Euch selbst versenken können.«
Brynn warf einen Blick den Pfad hinauf.
»Sogar mitten im Winter«, versprach Pagonel. »Selbst in der allerkältesten Winternacht.«
Anschließend brachte er sie wieder hinunter zum Kloster. Sogar im Dunkeln beschritt er den Pfad mit einer Unbefangenheit, wie sie nur durch lange Vertrautheit entsteht.
Brynns Lektionen begannen gleich am nächsten Tag; Pagonel brachte ihr bei, wie man sich auf eine einzige Partie, einen einzigen Aspekt des Körpers konzentrierte, er zeigte ihr, wie man sich bewusst entspannte, die Verbindung von Körper und Geist sowie die Selbstbeherrschung stärkte, bis sie sogar ihren Herzrhythmus verlangsamen konnte.
Drei Wochen später suchte Brynn den Felsvorsprung abermals auf. Am nächsten Morgen wanderte Brynn Dharielle, durch und durch erfrischt, zusammen mit einer Hand voll Jhesta Tu den Pfad hinunter zum Kloster. Keiner der Mystiker richtete auf diesem langen Weg das Wort an sie, aber jedes Mal, wenn es ihr gelang, einen ihrer Blicke zu erhaschen, schlug ihr unweigerlich so etwas wie Anerkennung entgegen.
Während der nächsten Wochen und Monate stieg Brynn viele Male hinauf auf den Berg, um sich dem Weg hinzugeben, und obwohl der Sommer tief unten im Tal längst in voller Blüte stand, war es hier oben allein die von Pagonel und den Elfen gelernte Disziplin, die ihr das Überleben in den grausam kalten Nächten ermöglichte. Einmal harrte Brynn, vollkommen in sich selbst und in der Leere der schweigsamen Friedlichkeit dieses Ortes versunken, drei volle Tage auf dem Felsvorsprung aus.
Jedes Mal, wenn sie von dem Berg herabstieg, fühlte sie sich erfrischt und gestärkt und fand, dass sich ihr Lebensweg ein wenig klarer vor ihr abzeichnete.
Oftmals verließ sie die Wolkenfeste auch in der anderen Richtung und stieg die vielen tausend steinernen Stufen bis auf den Grund des Tals hinunter. Es war nicht schwer, die grasigen Felder zu finden, auf denen die Pferde frei umherliefen, und stets genügte ein einziger Pfiff, gefolgt von einem kurzen Ruf, um ihren besten Freund im Galopp zu ihr zu locken.
An einem dieser Morgen, der Sommer des 841sten Jahres des Herrn begann bereits, in den Herbst überzugehen, wärmten Brynn und Nesty sich im Schein der spätsommerlichen Sonne. Brynn hatte einen Eimer und verschiedene Bürsten mit heruntergebracht; sie wusste genau, wo sie das kleine Pony bürsten musste und welche Borsten zu verwenden waren, damit das Pferd wohlig den Kopf hin und her warf.
Brynn war an diesem Morgen noch vor Anbruch der Dämmerung herabgestiegen, so dass sie genau bei Sonnenaufgang bei Nesty anlangte. Sie hatte vor, den ganzen Tag mit ihrem Pony zu verbringen, es gründlich zu bürsten und auszureiten oder einfach nur neben ihm im Gras zu sitzen, während es auf der Suche nach köstlichen Kleeblättern ziellos über die Wiese wanderte.
Die junge Hüterin war überrascht, als sie eine hoch gewachsene und schlanke, wenngleich mit einem kleinen Bauch ausgestattete Gestalt nahen sah. Als sie aus dem direkten Gegenlicht heraustrat, erkannte sie Pagonel.
»Werde ich etwa oben gebraucht?«, begrüßte Brynn ihn leicht besorgt, nicht etwa, weil Gesichtsausdruck oder Körperhaltung des Mystikers dazu Anlass gegeben hätte, sondern schlicht, weil er überhaupt den weiten Weg nach hier unten auf sich genommen
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