Schattenelf - 4 - Feuerzauber
gefolgt und hatte ein Tempo angeschlagen, das mit Sichtbarwerden der kleinen Kette himmelwärts ragender, schroffer Gipfel sogar noch schleppender geworden war.
»Wir müssen sie unbedingt finden, bevor es zu dieser kriegerischen Auseinandersetzung kommt«, sagte Juraviel am selben Abend, nachdem die drei in einer Felsennische in den Vorbergen des Gebirges ihr Lager aufgeschlagen hatten. »Vielleicht könntest du im Schutz der Nacht deine natürliche Gestalt annehmen, Pherol, damit wir die Bergflanken abfliegen und nach Hinweisen auf dieses versteckte Kloster suchen können.«
»Nein«, erwiderte der Drache ebenso schlicht wie entschieden, woraufhin Juraviel und Cazzira ihn verwundert ansahen.
»Hast du etwa Heimweh?«, wollte Juraviel wissen.
Von einem einfältigen Grinsen abgesehen, enthielt sich Pherol jeder Antwort.
»Was beunruhigt dich dann?«, hakte der Elf nach.
Als Pherol daraufhin seine Reptilienaugen bedrohlich verengte, wusste Juraviel, dass er von diesem brisanten Thema besser Abstand nehmen sollte.
Plötzlich traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. Der Drache hatte Angst oder zumindest gewaltigen Respekt vor den Mystikern der Jhesta Tu. Dies kam ein wenig überraschend für den Elf, aber nur im ersten Augenblick. Gewiss, in der Vergangenheit waren Drachen getötet worden, gewöhnlich von mächtigen, mit Edelsteinen bewaffneten Abellikanern, und einige der von den barbarischen Alpinadoranern im eisigen Norden gegen marodierende Drachen geführte Schlachten waren geradezu legendär.
Pherol scheute davor zurück, sich vor den Mauern des Klosters der Jhesta Tu in seiner wahren Gestalt zu zeigen. Offenbar schätzte er die Jhesta Tu ebenso stark ein wie die mächtigsten Abellikaner; für Juraviel ein weiterer Grund, die Hoffnung nicht aufzugeben, Brynn könnte es gelungen sein, die Tragödie bei Dharyan zu überleben.
Brynn trieb ihr Pony Nesty über eine kleine, von der Außenwelt abgeschnittene Wiese, vorbei an den Felsen und durch ein mit Findlingen übersätes Tal in der Nähe der zum Kloster hinaufführenden Stufen. Die beiden waren soeben in einem stürmischen Ritt von den größeren Weiden, wo die übrigen Wildpferde umherstreiften, zu dieser Stelle in der Nähe eines Baches heraufgekommen, damit Brynn sich ein wenig Abkühlung verschaffen und das Pony bürsten konnte.
Für Brynn waren dies die einzigen friedlichen Stunden, die Zeit, in der sie endlich einmal abschalten und sich ihren früheren Hoffnungen hingeben konnte – und den Gefühlen, die sich um dieses so ungewöhnliche Intermezzo in ihrem außergewöhnlichen Leben rankten.
Hier, auf dieser kleinen Wiese, verlor sie sich in ihren Gedanken, so dass sie, blind für ihre Umgebung, die Bewegung am felsumsäumten Rand der Wiese nicht bemerkte und völlig überrascht war, als plötzlich eine Stimme hinter ihr erklang.
»Bleib, wo du bist, oder du bist auf der Stelle tot!«, rief jemand mit barscher Stimme, in einem Dialekt, den Brynn sofort als behrenesisch erkannte.
Als sie sich schließlich umdrehte, wurde sie leichenblass.
Dort stand ein ganzer Trupp von Kriegern – Kriegern der Chezhou-Lei!
»Du trägst keine Schärpe«, bemerkte der Sprecher.
Seine Gegenwart an diesem Ort zog Brynn so sehr in ihren Bann, dass sie überhaupt nicht verstand, was er sagte. Sie hatte ihn augenblicklich wiedererkannt; es war der Mann, der während der Schlacht bei Dharyan von der Mauer gesprungen war und kurz darauf Ashwarawu getötet hatte.
»Wieso trägst du keine Schärpe, wenn du zu den Jhesta Tu gehörst?«, herrschte er sie an.
In diesem Moment wurde Brynn klar, dass er sie seinerseits nicht wiedererkannt hatte, und bei genauerer Überlegung schien das auch durchaus nachvollziehbar. Sie war hier nicht für die Schlacht gekleidet; sie trug niemals ihr Barett oder gar ihr Schwert, wenn sie das Kloster verließ. Außerdem hatte er sie in der Schlacht bei Dharyan vermutlich nicht weiter beachtet, während sie ihn klar und deutlich vor sich gesehen hatte. Sie war für ihn nicht mehr gewesen als irgendeine x-beliebige Gestalt im chaotischen Schlachtgetümmel.
»Ich bin keine Jhesta Tu«, antwortete sie wahrheitsgemäß, sich deutlich der anderen Krieger bewusst, die in diesem Augenblick rings um sie her aus den Schatten traten.
»Wir haben dich die Stufen herunterkommen sehen«, erwiderte der Mann.
»Ich … ich bin hier zu Besuch, gehöre aber selbst nicht dem Orden an«, stammelte Brynn, die nicht die leiseste Ahnung hatte, in welche
Weitere Kostenlose Bücher