Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Armee glaubt, unsere Truppen vor sich herzutreiben, obwohl die gerissenen Befehlshaber der To-gai-ru sie eigentlich immer weiter nach Westen locken«, antwortete Brynn, etwas zu gelassen für Pagonels Geschmack.
»Und deshalb versteckst du dich vor mir, während mir das Licht fehlt, um deine dunklen Seiten auszuleuchten«, sagte der Mystiker. »Aber glaubst du wirklich, beim Schwerttanz vor dir selbst davonlaufen zu können?«
Brynn schnaubte und wies ihn mit einer Handbewegung zurück. »Du redest daher wie ein Narr«, sagte sie und schnaubte erneut.
Aber plötzlich blieb ihr die letzte vorwurfsvolle Bemerkung in der Kehle stecken, und ein stechendes, schmerzhaftes Schuldgefühl überkam sie. Rasch wandte Brynn den Kopf ab und versuchte, ihr erschrockenes Gesicht vor dem Mystiker zu verbergen, doch Pagonel war sofort bei ihr, bog ihr Kinn mit kräftiger Hand nach oben und sah ihr tief in ihre tränenfeuchten Augen.
»Was hast du dort gesehen?«, fragte er mit sanfter Stimme. Brynn versuchte, den Kopf abzuwenden, aber er hatte sie fest im Griff. »Was hast du dort getan?«
»Sie hatten unsere fliehenden Truppen fast schon eingeholt«, stieß die junge Frau plötzlich hervor. »Mit ihrer riesigen Armee! Barachuk und all die anderen wären in Kürze einfach überrannt worden. Ich musste ihnen einen größeren Vorsprung verschaffen, bis das Gelände für unsere Truppen günstiger wäre.«
»Und da hast du Pherol auf die Behreneser losgelassen«, schloss der Mystiker.
»Nicht auf die Armee«, erwiderte Brynn. »Die wäre selbst für den Drachen viel zu stark gewesen. Aber ganz in der Nähe gab es ein Dorf, eine Vorposten-Siedlung.« Kaum hatte sie geendet, warf sie sich Pagonel in die Arme und vergrub ihr Gesicht an seiner kräftigen Brust.
»Du hast den Lindwurm das Dorf überfallen lassen?«, fragte er und spürte, wie Brynn an seiner Brust nickte. Der Mystiker schob sie auf Armeslänge von sich.
»Pherol hat es bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Ich bin sicher, niemand konnte entkommen.«
Pagonels Nicken war eine Mischung aus Verständnis und Mitgefühl. »Ich habe dich einmal gefragt, ob das Ziel den Preis wert ist«, erinnerte er sie. »Sind all die Gräuel des Krieges – jedes Krieges – das Endziel wert, die Befreiung To-gais? Damals hast du dieser Ansicht zugestimmt.«
Brynn zögerte einen Augenblick, um über das Gespräch von damals nachzudenken, über ihre Entschlossenheit, die sie nun schon so lange an den Tag legte, und versuchte sie gegen die bedrückenden Zweifel abzuwägen, die sie mittlerweile von allen Seiten zu bedrängen schienen. »Aber das war, bevor mir mit Pherol diese ungeheure Macht an die Hand gegeben wurde.«
Die Bemerkung enthielt eine Logik, der sich der Mystiker nur schwer entziehen konnte.
»Und doch war es deine Armee und nicht diese Bestie, die die Garnison aus Pruda vollkommen aufgerieben und die Stadt überrannt hat«, gab er zu bedenken. »Auch dabei ist es zu gewaltigen Zerstörungen gekommen. So groß ist der Unterschied nicht.«
»Das war ein gerechter Kampf, Mann gegen Mann«, widersprach Brynn. »Bei der Siedlung dagegen war es … war es einfach ein Gemetzel.«
»Und wie beabsichtigst du das in Zukunft zu verhindern?«, schaltete sich eine melodisch klingende Stimme von der Seite her ein. Die beiden drehten sich um und sahen Juraviel und Cazzira auf sie zukommen.
»Warum sagst du es mir nicht?«, fuhr Brynn ihn ziemlich gereizt an. »Schließlich habe ich dir diese Bestie zu verdanken.«
»Offenbar nimmst du an, ich hätte Pherol zurückhalten können, wenn ich nur gewollt hätte«, erwiderte der Elf ruhig. »Aber als der Drache sich einmal entschlossen hatte, aus seinem dunklen Loch hervorzukommen, stand es nicht mehr in meiner Macht, ihn davon abzubringen. Also habe ich versucht, ihn für die Sache der Freiheit zu gewinnen – das ist doch immerhin etwas.«
»Ist es das?«, fragte Brynn und riss sich von Pagonel los, um sich vor Juraviel aufzubauen. »Wenn wir uns des Drachen bedienen, sind wir dann wirklich noch besser als die Behreneser, die To-gai erobert haben? Oder sind wir am Ende sogar schlimmer, weil wir eine Macht auf sie losgelassen haben, die wir nicht wirklich kontrollieren können?«
»Diese Frage muss sich jeder von uns stellen«, erwiderte Juraviel achselzuckend. »Aber wenn du wirklich eine Antwort darauf suchst, solltest du dir über eins im Klaren sein. Die Bestie ist los, und weder du noch ich können sie zwingen, in ihre finstere
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