Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
Kaufleuten gewonnenen Einblicke höchstwahrscheinlich ein sehr viel genaueres Bild von den tatsächlichen Geschehnissen innerhalb Behrens liefern würden als alles, was von den führenden Yatols zu erfahren war.
»Was sich derzeit in Behren tut, ist für den neuen König des Bärenreiches von allergrößter Wichtigkeit«, erklärte Meister Mackaront von St. Bondabruce, langjähriger Gesandter Abt Olins beim Chezru-Häuptling, dem neuen Oberhaupt der Yatols in Jacintha.
»Ich würde meinen, Euer neuer König Aydrian hat derzeit genug eigene Probleme«, erwiderte Yatol Mado Wadon mit unverhohlener Skepsis.
Mackaront ließ sich lange Zeit, sein Gegenüber und dessen Körperhaltung und Bewegungen zu betrachten. Mado Wadon war ein alter Mann, älter als Mackaront mit seinen fünfzig Jahren, dem soeben die Grundlage seiner gesamten Existenz – die Religion und Spiritualität, die sein Leben bestimmt hatten – unter den Füßen weggezogen worden war. Er war sichtlich verängstigt und zweifelte vermutlich längst an seinem Entschluss, der ihn dazu verleitet hatte, sich des Chezru-Häuptlings Yakim Douan zu entledigen. Als nach und nach immer mehr Berichte von der wachsenden Stärke Yatol Tohen Bardohs nach Chom Deiru durchsickerten, dem Tempel der Yatols in Jacintha, hatte der Druck auf ihn spürbar zugenommen. In Anbetracht der zahllosen territorialen Streitigkeiten, die überall im zerfallenden Königreich ausbrachen, sah Mackaront seine Ängste als durchaus berechtigt an; offenbar schien Yatol Peridan den Umstand ausnutzen zu wollen, dass viele Soldaten seines Grenznachbarn während des Krieges im Westen gegen die To-gai-ru gewaltsam dienstverpflichtet worden und bislang nicht zurückgekehrt waren.
»Ihr müsst wissen, dass unser neuer König Aydrian bei seiner Thronbesteigung von keinem Geringeren als meinem Meister, Abt Olin, unterstützt wurde«, erwiderte Mackaront, ein Satz, den er im Verlauf dieser wichtigen Unterredung bereits mehrfach zum Besten gegeben hatte.
»Von Olin, einem engen Freund Chezru Douans«, merkte Mado Wadon an.
»Von Abt Olin, einem großen Freund Behrens«, beeilte sich Mackaront zu berichtigen. »Mein Meister suchte die Freundschaft Chezru Douans, weil dieser für ganz Behren sprach. Er verspürt keinen Zorn mehr über die Geschehnisse, die zum Niedergang seines Freundes führten, auch wenn ihn Douans Tod natürlich traurig stimmt.«
»Ein überaus pragmatisch denkender Mann.« Der Sarkasmus in Yatol Wadons Stimme war nicht zu überhören.
»Wie es ihn übrigens auch traurig stimmt zu hören, dass die Yatols darauf verzichtet haben, sich eingehender mit der Vereinigung der beiden Glaubensrichtungen, der abellikanischen Kirche und der Chezru-Religion, zu befassen, für die Yakim Douans ganzes Verhalten doch vorbildhaft zu sein schien«, fuhr Mackaront fort, worauf Mado Wadon erstaunt die Brauen hochzog.
»Douan war ein Betrüger und Mörder!«, ereiferte sich der Yatol. »Er hat diesen Edelstein dazu benutzt, die Körper von Ungeborenen zu rauben und sie in seiner Gier nach physischer Unsterblichkeit als seinen eigenen auszugeben! Ihr solltet gar nicht erst versuchen, ein solch abscheuliches Verbrechen zu rechtfertigen!«
»Das war keinesfalls meine Absicht«, erwiderte Mackaront, der während Wadons Wutausbruch die ganze Zeit langsam den Kopf geschüttelt hatte. »Dennoch könnt Ihr nicht bestreiten, dass die Aufdeckung der Machenschaften Yakim Douans Eure Religion bis in die Grundfesten erschüttert hat. Vielleicht wäre es ja an der Zeit, die Möglichkeiten eines Kompromisses auszuloten, eines Kompromisses zwischen –«
»Kommt nicht in Frage.«
Die Ablehnung traf Mackaront nicht unerwartet, und er merkte, dass er vielleicht ein wenig zu überhastet und direkt vorging. Im Grunde war es in diesem Moment gar nicht seine Aufgabe, Abt Olin das Fundament für seinen Aufstieg in die führende Position in Jacintha zu bereiten – vielmehr sollte er das Ausmaß der Verzweiflung Mado Wadons ausloten und diese Verzweiflung anschließend nutzen, um den Weg für die ersten Beutezüge in Behren zu ebnen.
»Vielleicht solltet Ihr an einem anderen Tag mit meinem Meister darüber diskutieren«, sagte Mackaront.
»Wohl kaum«, lautete die in einem unbeugsamen Ton vorgetragene Antwort.
Meister Mackaront, für den der zwangsläufig eingeschränkte Blickwinkel alteingesessener Kleriker kein Neuland war, nahm die Erwiderung mit einem Nicken zur Kenntnis.
»Davon abgesehen ist sich mein
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