Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
es sich dabei um eine gezielte Desinformationskampagne dieses Hochstaplers auf dem Thron. Vielleicht wurden diese Leute, die von der Tragödie berichteten, ganz bewusst benutzt, um –«
»Spione?«, fiel ihm Fio Bou-raiy ins Wort und schüttelte den Kopf. »Nein, Meister Viscenti. Ihr seid zweifellos mehr oder weniger denselben Leuten begegnet wie ich. Sie sind in lauterer Absicht hergekommen, und ihre Verwirrung ist echt. Zumal viele von ihnen die gleiche Geschichte erzählen.«
Jetzt seufzte Viscenti doch.
»Und wie erklärt Ihr Euch das?«, fragte Fio Bou-raiy. »Hat Bischof Braumin den Glauben verloren? Ist das noch derselbe Mann, der sich Markwart widersetzte?«
»Aber gewiss!«, beharrte Meister Viscenti.
»Wie erklärt Ihr es Euch dann?«, wollte der ehrwürdige Vater wissen.
Meister Viscenti schlug verlegen die Augen nieder, denn obwohl er die Berichte so vieler nicht anzweifelte, hatte er nicht die leiseste Ahnung, was dort vorgefallen sein mochte.
Selbstverständlich konnten sich weder Viscenti noch Fio Bou-raiy oder sonst einer der Anwesenden im Raum vorstellen, dass Aydrian Boudabras’ Macht mit dem Seelenstein ausreichte, um vom Körper eines so gebildeten und hervorragenden Mannes wie Bischof Braumin Herde Besitz zu ergreifen und diesen zu zwingen, ihm nach dem Mund zu reden.
»Demnach werdet Ihr also eher auf uns angewiesen sein als umgekehrt«, stellte König Eltiraaz fest, nachdem Lady Dasslerond ihn und Juraviel darüber aufgeklärt hatte, was es mit dem neuen König des Bärenreiches tatsächlich auf sich hatte.
Juraviel, der die – nicht sehr weit auseinander liegenden Sprachen der Doc’alfar und der Touel’alfar mittlerweile fließend beherrschte, war bei der Übersetzung von Eltiraaz’ Worten sehr darauf bedacht, jede noch so feine Schwankung im Tonfall korrekt wiederzugeben, zumal Eltiraaz sich weder herablassend verhielt noch gewillt schien, sich aufgrund seiner Machtstellung Vorteile zu verschaffen. Er hatte lediglich eine Feststellung getroffen, und das in einer Weise, die keinen Zweifel an der Bereitschaft seines Volkes aufkommen ließ, den Touel’alfar in diesen gefährlichen Zeiten beizustehen.
Das hatte Juraviel in der ersten Woche nach seiner Rückkehr gegenüber Lady Dasslerond immer wieder betont. Anfangs war sie sehr erbost gewesen über seine Dreistigkeit, Fremde in ihr verborgenes Tal mitzubringen, auch wenn die Erklärung, um wen es sich dabei handelte, sie gewiss ebenso verblüfft hatte wie alle übrigen Touel’alfar, von denen nur wenige es für möglich gehalten hatten, dass die Doc’alfar überlebt haben könnten.
Im Laufe der Woche hatte Dasslerond dann zunehmend eingesehen, dass Juraviels Entscheidung, Cazzira und den König der Doc’alfar mitzubringen, richtig gewesen war; ein Eingeständnis, das allein Juraviel bereits zeigte, für wie gefährlich die stets besorgte Lady die Situation mit Aydrian hielt.
»Wenn sich meine schlimmsten Vermutungen über Aydrian bestätigen, werdet Ihr einsehen, dass wir uns beide in derselben Notlage befinden«, hielt es Lady Dasslerond dennoch für angebracht zu kontern.
Juraviel bemerkte, wie Cazzira, die seine Muttersprache inzwischen ebenso gut beherrschte wie er die ihre, das Gesicht verzog. Er nickte ihr kurz zu, zum Zeichen, dass Lady Dassleronds Erwiderung mitnichten ein Ausdruck der Verstimmung war, dann übersetzte er korrekt für König Eltiraaz und erklärte in einem kurzen Kommentar, er halte es ebenfalls für richtig, dass sie jetzt zueinander gefunden hatten.
König Eltiraaz musterte lange die Herrscherin von Caer’alfar. »Wie wollen wir weiter vorgehen?«, fragte er schließlich. »Wenn dieser junge Aydrian tatsächlich so mächtig und von Rache besessen ist, wie Ihr zu glauben scheint, und er über Zehntausende menschlicher Krieger gebietet, was können wir dann schon tun?«
Darauf wusste auch Lady Dasslerond keine unmittelbare Antwort, trotzdem sagte sie: »Wir müssen uns von Aydrian, so gut es geht, fern halten. Und wir müssen so viel wie möglich über seine Person und seine Ziele in Erfahrung bringen. Durchaus denkbar, dass wir Verbündete für unseren Kampf finden – seine Mutter zum Beispiel.«
»Und was ist mit Brynn?«, fragte Juraviel. »Sie sollte ebenfalls unterrichtet werden.«
Lady Dasslerond dachte eine Weile über diese Möglichkeit nach; sie fragte sich, ob sich durch Brynn Dharielles Aufstieg irgendwelche Perspektiven ergaben, eine Rückzugsmöglichkeit für sämtliche
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