Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
tiefere Leid, das Aydrian bedeutete?
Denn unmittelbar vor ihr erhob sich drohend, gleich einer schwarzen Wand, an der ihre ganze Willenskraft und jeder Überlebensinstinkt zerschellte, Aydrians Geist – das Symbol zutiefst empfundener Verzweiflung. Sie hatte seine Macht zu spüren bekommen, hatte die Niedertracht in seinem Herzen erkannt. Ein Blick in seine blauen Augen – die ihren so ähnlich waren – hatte ihr gezeigt, was hätte sein können, hatte ihr den Albtraum offenbart, zu dem er sich entwickelt hatte. Sie konnte ihn weder besiegen, noch ertrug sie es, seinen Aufstieg mit ansehen zu müssen.
Und am Ende würde ihr nichts anderes bleiben als der Tod.
Symphony wieherte und stampfte mit den Hufen. Der Hengst umtänzelte Pony, schnaubte bei jedem Schritt, trat immer wieder bockend aus. Die pure Energie des betagten Pferdes riss Pony aus ihren düsteren Gedanken und lenkte ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Kraft und Entschlossenheit, die Symphony in diesem Augenblick verkörperte.
Ein Anblick, der die gebrochene Frau zutiefst beschämte.
Ein Anblick, bei dem sich Pony plötzlich lächerlich vorkam, wie sie hier im Morast lag und auf den Tod wartete, wo doch der Seelenstein irgendwo ganz in der Nähe liegen musste.
Sie zog die Hände seitlich neben ihren Oberkörper und versuchte, sich hochzustemmen. Aber es war zu spät, sie war bereits zu geschwächt und sank zurück in den Morast.
»Symphony«, hauchte sie erneut.
Das Pferd kam ganz dicht zu ihr, senkte den Kopf und berührte ihr Ohr und ihre Haare mit den Lippen.
»Edelstein«, versuchte Pony hervorzustoßen, aber wichtiger als das Wort selbst, das ihr kaum über die Lippen kommen wollte, war der Gedanke, den sie dem Hengst übermittelte und der ihm begreiflich machen sollte, dass sie nach dem Hämatit verlangte.
Aber ohne den Seelenstein war diese Art der Verständigung unmöglich.
Sie riss sich zusammen und beschloss, sich des Orakels zu bedienen, jener Gabe, die Andacanavar ihr zum Geschenk gemacht hatte, um Verbindung mit Elbryans Geist aufnehmen zu können. Sie hatte diese Meditationsübung in den letzten Jahren viel zu selten genutzt. Hatte sie aber doch einmal vor dem abgedunkelten Spiegel gesessen, hatte sie nicht etwa eine Verbindung zu Elbryan hergestellt, sondern war nur mit der Verzweiflung über den bohrenden Schmerz ihres Verlustes konfrontiert worden. Jetzt aber versenkte sie sich ebenso sicher in jenen meditativen Zustand, als sitze sie in einem schwach beleuchteten Raum und blicke in den Spiegel. Kurz darauf spürte sie eine Erscheinung, den Schatten im Spiegel.
Symphony spürte sie ebenfalls. Das sah sie an der Art, wie das Pferd, sichtlich aufgeregt, wieder zu schnauben und mit dem Huf zu scharren begann.
Pony ließ ihre Gedanken wieder zu dem Schatten hinüberwandern. Sie war sicher, dass es Elbryan war. In Gedanken ging sie noch einmal den Kampf mit den Goblins durch, angefangen bei dem Augenblick, als sie sich einen Weg durch den kleinen See gebahnt hatte. Doch diesmal sah sie ihn aus einer anderen Perspektive, so als beobachte sie ihre eigenen Bewegungen von der Seite her. Bei der kleinen Atempause in der Mitte des Sees hatte sie den Seelenstein offenbar noch in der Hand gehalten, denn im Anschluss war sie zum gegenüberliegenden Ufer hinübergeeilt, hatte dort von den Goblins Besitz ergriffen und sie gegeneinander ausgespielt. Anschließend war sie am anderen Ufer an Land gegangen, um den Angriff von der Südseite abzuwehren, hatte ihre Decke über einen der Goblins geschmissen und sich dann vor den Füßen des attackierenden Goblin in den Sand geworfen …
Einen Augenblick darauf begann Symphony wild herumzuspringen und jagte davon. Während sein Schatten rasch mit der Dunkelheit verschmolz, ließ sich Pony erschöpft in den Morast sinken und schloss die Augen. Sie hörte ein Platschen, das sich kurz darauf wiederholte, und folgte Symphonys Schnauben am Ufer entlang Richtung Süden.
Aber die kalte, leere Dunkelheit war zu verlockend …
Augenblicke später riss ein heftiger Stoß gegen ihre Schulter Pony aus ihrem Dämmerzustand. Sie sperrte sich gegen die Aufforderung, wurde erneut angestoßen und gleich darauf ein drittes Mal. Der beharrliche Hengst ließ sich einfach nicht abweisen. Schließlich schlug sie die Augen auf und erblickte auf dem Boden unmittelbar vor ihrem Gesicht eine kleine dunklere Stelle. Ein unerwarteter Energieschub ermöglichte es Pony, ihre Hand unter leisem Ächzen über den dunklen Punkt zu
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