Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
Blick nach drinnen zu riskieren.
Roger erstarrte auf der Stelle – das Zimmer war keineswegs leer. Zwei hünenhafte Kerle, Kingsmen, hielten Wache – wenn man es denn so nennen konnte. Der eine hatte es sich auf einem Stuhl bequem gemacht und schien zu schlafen, während der andere an einem kleinen Schrank in der rechten Zimmerecke lehnte.
Ihm gegenüber, auf der linken Zimmerseite, befand sich die Tür, durch die man zu der nach unten führenden Treppe gelangte.
Roger war einigermaßen sicher, dass er sie erreichen konnte, ohne von den beiden angetrunkenen Wachen bemerkt zu werden, aber wie sollte er wieder hinausgelangen, noch dazu mit Braumin im Schlepptau?
Er ließ den Blick umherwandern und suchte nach einer Lösung. Seine Hand fuhr zum Gürtel, wo, in einer Scheide, ein kleiner Dolch steckte, ließ den Gedanken, die Posten anzugreifen, aber rasch wieder fallen. Früher einmal war er ein ganz brauchbarer Kämpfer gewesen. Früher …
Schließlich entschied er sich für eine andere Taktik und besah sich die Türöffnung und das primitive Schloss etwas genauer. Roger bückte sich grinsend, zog die Tür in ihre ursprüngliche, fast geschlossene Stellung zurück, holte einen kleinen Dietrich hervor und machte sich an dem Mechanismus zu schaffen.
Nach einem weiteren Blick ins Innere des Zimmers schlüpfte er geräuschlos hinein und bewegte sich in gebückter Haltung so nah über dem Fußboden, dass das Kerzenlicht nicht auf ihn fiel. Eine seitliche Bewegung ließ ihn auf der Stelle erstarren, aber als er schließlich den Mut aufbrachte, sich umzudrehen, sah er, dass ihr Verursacher, der am Schränkchen lehnende Posten, nur seine Stellung verändert hatte, um es sich ein wenig bequemer zu machen. Erst jetzt bemerkte Roger, dass auch dieser Mann schlief. Es war ihm allerdings ein Rätsel, wie er sich noch immer auf den Beinen hielt.
An der Kellertür sah sich Roger kurz um, um sich zu vergewissern, dass die Wachen ihn nicht bemerkt hatten, dann langte er nach oben und probierte vorsichtig die Klinke.
Die Tür war abgeschlossen.
Wieder kam, lautlos und gekonnt, Rogers Dietrich zum Einsatz, und Augenblicke später schlüpfte er durch die Tür auf den Treppenabsatz, wo er kurz innehielt, um die Tür fest hinter sich zu verschließen.
Die ausgetretene Treppe, die vor ihm nach unten führte, war kaum zu erkennen, tief unten jedoch brannten einige Fackeln. Sich mit der Hand an der Wand zu seiner Rechten entlangtastend, begann er langsam hinabzusteigen – und verzog jedes Mal das Gesicht, wenn die ausbesserungsbedürftige Treppe unter seinem Gewicht ein Knarren von sich gab. Kurz darauf bewegte er sich durch einen teils erdigen, teils steinernen, mit Pfützen übersäten Gang, der vom Geräusch rasselnder Ketten und auf Metall einschlagender Hämmer widerhallte.
Offenbar waren König Aydrian und seine Truppen zu der seit alters her gebräuchlichen Praxis zurückgekehrt, Gefangene zu schwerer Zwangsarbeit heranzuziehen.
Roger vernahm das Schwirren und den scharfen Knall einer Peitsche, gefolgt von einem jämmerlichen Stöhnen – offenbar hatte man auch noch andere Praktiken wieder eingeführt.
Die Vorstellung, dass sich Braumin, sein lieber Freund, unter den Gefolterten befand, beschleunigte Rogers Schritte, und ein paar Biegungen und Seitenwege weiter sah er den Folterknecht und die Gefangenen schließlich vor sich. Sie befanden sich in einer länglichen, ins Erdreich gegrabenen Höhle, mehrere von ihnen in einer langen Reihe an einer gemauerten Erhebung festgekettet, jeder vor seinem eigenen Amboss. Vor ihnen loderte ein riesiger Schmiedeherd. Zwei weitere Gefangene mit dicken Handschuhen schoben Metallstäbe in eine Schmelzkammer und wuchteten sie, sobald sie genügend erhitzt waren, von dort auf den nächstbesten freien Amboss.
Der Wärter, ein muskelbepackter Hüne, lief hinter der gemauerten Erhebung auf und ab, in der einen Hand die Peitsche, in der anderen ein massives Kurzschwert. Er stieß eine Verwünschung aus und ließ seine Peitsche auf einen der Männer niedersausen, worauf der gepeinigte Mann einen Schrei ausstieß und nach vorne auf ein Knie sackte.
Der Wärter brüllte ihn sofort an: »Auf die Beine mit dir, du verräterischer Lump!«, ehe die Peitsche erneut knallte und der Mann noch mehr in sich zusammensackte – was wiederum den Wärter in noch größere Wut versetzte.
»Auf, hab ich gesagt!«, schrie der Wärter erneut und hob die Peitsche, als wollte er zuschlagen, als er eine
Weitere Kostenlose Bücher