Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
Alltagsleben nachzugehen, drastisch beschnitten.
Und es würde keine förmliche Ernennung De’Unneros zum Bischof oder auch nur zum Abt von St. Precious geben. Soweit es die Bevölkerung von Palmaris betraf, war er nichts weiter als der Abt einer auswärtigen Abtei, der, als Aydrians Stellvertreter, Bischof Braumin Herde in beratender Funktion diente.
Natürlich gingen Marcalo De’Unneros Befugnisse weit darüber hinaus. Jetzt, da Aydrian nicht in der Stadt weilte und Kalas mit der Überwachung und völligen Unterwerfung der Südlande beschäftigt war, besaß er praktisch die absolute Macht in Palmaris. Bischof Braumin war nicht mehr als ein Name – De’Unnero hatte nicht die Absicht, ihn während Aydrians Abwesenheit überhaupt aus seiner Kerkerzelle herauszulassen. De’Unnero würde einen der bekehrten Meister von St. Precious mit der Bekanntgabe der Erlasse betrauen – Dekrete, angeblich verfügt von Bischof Braumin, verfasst jedoch von niemand anderem als ihm selbst.
Seine derzeitige Aufgabe war einfach. Er brauchte nichts weiter zu tun, als den Winter auszusitzen – friedlich und ohne die Fäden aus der Hand zu geben – und seine Kräfte zu sammeln, um für die wichtigeren Auseinandersetzungen, die ihm zweifellos im Frühjahr bevorstanden, bereit zu sein.
Er hatte Aydrian ein Zugeständnis abgerungen, etwas, das er und Markwart schon einmal versucht hatten – wenn auch, wie sich damals herausstellte, mit katastrophalen Folgen für ihn selbst. Mit seiner Politik, sämtliche magischen Edelsteine zurückzufordern, hatte er sich den Zorn der Bevölkerung von Palmaris zugezogen – auch wenn Markwart und schließlich auch Bischof Francis seinen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit dazu benutzt hatten, nun ihrerseits die Steine einzusammeln und Francis’ Popularität zu mehren. Damals waren viele Steine wieder aufgefunden worden und lagerten derzeit noch immer in den Schatzkammern des Ordens. Jetzt auch noch die Übrigen in seine Hände zu bekommen hielt Marcalo De’Unnero für die wichtigste Aufgabe, der er sich jemals widmen würde.
Denn nach Marcalo De’Unneros fester Überzeugung fielen die Edelsteine in den Aufgabenbereich der abellikanischen Kirche. Die Vorstellung, dass viele von ihnen in aller Welt verstreut waren, verkauft von den ehemaligen Äbten von St. Mere-Abelle und oftmals von ketzerischen Handwerkern und Alchemisten zu gedankenlos benutzten magischen Gegenständen umfunktioniert, ließ ihn innerlich vor Zorn beben.
Diesmal allerdings hatte Marcalo De’Unnero sich vorgenommen, bei der Einsammlung der Steine diplomatischer vorzugehen – ganz so wie Francis nach De’Unneros Amtsenthebung in Palmaris. Anstelle von Drohungen würde der Mönch zur Wiederbeschaffung heiliger und magischer Gegenstände Geld einsetzen. Für diesen Zweck hatte er säckeweise unverzauberte, nichtsdestotrotz wertvolle Edelsteine mitgebracht.
Ja, Marcalo De’Unnero hatte sich vorgenommen, sich bei den Menschen in Palmaris und all den anderen Orten entlang des Masur Delaval beliebt zu machen – oder doch wenigstens bei ihren wichtigen und mächtigen Vertretern. Sein Reichtum würde es ihm ermöglichen, viele der Edelsteine zurückzukaufen oder doch wenigstens Informationen darüber zu beschaffen, welche Kaufleute oder Adligen womöglich noch im Besitz eines Steins oder magischen Gegenstands waren. Hatte er ein solches kriminelles Element erst ausgemacht, würde er persönlich an den Betreffenden herantreten und ihm Geld anbieten.
Sollte dies ausgeschlagen werden, würde De’Unnero noch in derselben Nacht heimlich zurückkehren und sich das rechtmäßige Eigentum der Kirche anderweitig beschaffen.
Der Mönch musste sich bewusst ermahnen zu lächeln, als er dort unter freiem Himmel am Nordtor stand. Er wusste, viele Augenpaare waren auf ihn gerichtet, daher unterdrückte er seinen fast instinktiven Drang, eine finstere Miene aufzusetzen, und gab sich größte Mühe, seine Züge sanfter wirken zu lassen.
Und das fiel Marcalo De’Unnero wahrlich nicht leicht.
Roger konnte sich eines leichten Anflugs von Schuldgefühlen nicht erwehren, als er dem hinter ihm stehenden Bruder Hoyet zunickte. Er war der Erste in einer Gruppe von fast einem Dutzend junger Mönche, die man quer über die Stadt verteilt hatte, um Bischof Braumin auf verschwiegenen Pfaden durch die Stadt und anschließend über den Fluss zu einer dort wartenden Kutsche zu begleiten, die ihn auf schnellstem Wege nach St. Mere-Abelle bringen
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